Krogh,

Krieger vom Volke der

She ‘ Daan

Auszüge aus dem Tagebuch des menschlichen Kriegers Twalo

15.6.698

Es war der dritte Jahrestag meiner Gefangenschaft bei den Orks und eigentlich ein kalter und feuchter wie alle anderen zuvor.

Etwas besonderes kam mit einer neuen Fuhre von Sklaven, der ersten seit langer Zeit. Immer seltener sind solche Transporte geworden, langsam aber sicher scheint der Norden entvölkert zu sein.

Die neuen Ankömmlinge boten weitgehend das übliche Bild von verängstigten Gestalten, Männer, Frauen und einige Kinder, die meisten hatten den mühseligen Weg bis zu den Minen nicht überlebt. Die Gruppe bestand mit einer Ausnahme aus Nordmenschen und er war das besondere an diesem Tag. Seinem Gesicht nach war er ein Jugendlicher von einer mir unbekannten Spezies mit enormer Körpergröße, die über zwei Meter lag. Er war nicht wirklich hübsch, aber er schaute als einziger der Ankömmlinge stolz und ungebrochten, als einziger war er mit dicken Fuß- und Handketten gefesselt und die Wachen hielten respektvoll Abstand.

 

Noch am Abend nutzte ich meinen guten Kontakt zu einem der Wärter, um in den Bereich der Neuankömmlinge zu gelangen, gerade rechtszeitig, um schlimmeres zu verhindern. Der Sohn des Orkhäuptlings, Gurtangk, ein verschlagener Krieger hatte sich den Riesen vorgenommen und reizte Ihn bis zum Äußersten, auf der Suche nach einem Grund, ihn mit seinem zweihändigen Schwert erschlagen zu können. Er wollte sich mal wieder abreagieren, etwas, was er scheinbar regelmäßig nötig hatte. Genau das Gleiche hatte er mit mir und vielen anderen, die noch nicht völlig gebrochen schienen, versucht. „Welch Ruhm ein kindliches Riesenbaby zu töten“ rief ich Gurtangk auf orkisch zu, „Dir scheint eine wahre Schlacht zu fehlen“. Ich wußte, ich ging ein nicht kalkulierbares Risiko ein, mich in seine Angelegenheiten zu mischen. Ich vertraute auf meine etwas bessere Stellung unter den Sklaven, die ich hatte, da ich die Hölle der Minen schon 7 Jahre überlebt hatte und ein alter Mann war. Wenn Orks neben Brutalität etwas respektieren, dann ist es das Alter. Gurtangk fuhr herum, fixierte mich mit seinen stechenden Augen und kam grollend auf mich zu. Er schien das kurze Lachen der umstehenden Wachen, daß aber sofort wieder verstummte, nicht zu beachten. „Was willst Du alter Mann“ raunte er mich an und schlug mir mit der Faust in das Gesicht. Ich fiel zu Boden und er begann mich mit Fußtritten einzudecken. Ich schützte mich so gut wie ich konnte, aber nach kurzer Zeit schien er genug zu haben und schrie mir entgegen: “Das nächste mal puste ich Deine letzten Lebensgeister aus, Bastard“. Er verlangte lauthals nach Schnaps und verlies die Höhle.

Noch bevor ich tief durchatmen konnte, stand der Riese vor mir und half mir auf, trotz seiner Größe und der Ketten wirkte er sehr gewandt. Auf gebrochenem Chemino bedankte er sich bei mir und gab mir zu verstehen, daß ich auf immer in seiner Schuld stehe.

 

22.6.698

Eine Woche war vergangen, seit der Riese im Lager angekommen war. Wir suchten gegenseitig unsere Gesellschaft, ich weil ich an seiner seltenen Rasse interessiert war und er, weil er sich wohl an sein Versprechen gebunden fühlte. Sein Name in seiner seltsamen Sprache klang auf Chemino wie Krogh. Sein Volk nannte er She’Daan, ein elfischer Begriff, von dem ich in meiner doch eher bescheidenen Weiheit noch nie etwas gehört hatte und er erklärte mir, daß sie eines der vielen Völker der Halbelfen wären, was mir bei seinem Aussehen schwer fiel zu glauben. Er und seine Familie stammten vom östlichen Fjord, wo sie in einer kleinen Siedlung mit wenigen anderen She’Daan lebten. Völlig überraschend hatten die Orks sie überfallen und bei dem Kampf wurden alle Erwachsenen getötet. Dabei wurden Scharen von Orks getötet, die wohl nicht mit einem solchen Widerstand gerechnet hatten. Wahrscheinlich auch ein Grund, warum Gurtangk nicht gut auf Krogh zu sprechen war, denn er hatte den Angriff angeführt.

Er hatte Kräfte wie ein Bär und trotz seiner Ketten brauchte ich mir seit seiner Ankunft keine Gedanken mehr über meine Essensrationen zu machen, denn aufgrund seiner Anwesenheit traute sich niemand mehr, sie zu stehlen.

 

7.1.700

Der letzte Tag meiner Gefangenschaft bei den Orks war einer der kältesten, die ich jemals erlebt habe. Selbst die orkischen Wächter fluchten ständig über die Temperaturen. Ich spürte meine alten Knochen, wie niemals zuvor. Der einzige, dem es nichts auszumachen schien, war Krogh, der scheinbar gegen Kälte immun war. Mit etwas Fantasie konnte man auf seinem Gesicht sogar so etwas wie ein Lächeln beobachten. Dieses hatte nichts mit Schadenfreude über die frierenden Orkwachen zu tun, eine Tatsache die Gurtangk nicht wissen konnte, aber dazu später. Der Grund für Krogh’s Lächeln war, daß er seit dem heutigen Tage, seinem 25igsten Geburtstag , ein erwachsener She’Daan war, etwas daß in der Geschichte dieses Volkes eine Große Rolle spielte. Am Morgen hatte er mir stundenlang und in aller Ausführlichkeit von der Geschichte seines Volkes erzählt, worüber er bisher kein Wort sagte. Gut war, daß er in der Zwischenzeit perfekt Chemino  und auch Orkisch sprach, denn bei seinen Ausführungen redete er schnell und überschlug sich dabei fast. Er erklärte mir, daß nur ein Erwachsener She’Daan das Recht hatte, über die Geschichte seines Volkes anderen zu erzählen und dies auch nur guten Freunden gegenüber.

Die She‘ Daan waren eine Kreuzung von Ogern und Elfen, die im 1. Zeitalter von den Finsterelfen für den großen Krieg gegen die Menschen gezüchtet wurden. Aus dieser Knechtung konnte sich, da der Willen der She‘ Daan auf magische Weise gebrochen wurde, nur einer Befreien, der große Krieger Gor, der Befreier. Er erhob sich in einer der entscheidenen Schlachten gegen die Finsterelfen und konnte viele der She’Daan aus ihren magischen Fesseln befreien. Sie schlugen sich auf die Seite der Menschen und so wandte sich die Schlacht zu einer vernichtenden Niederlage für die Finsterelfen. Dies war der Anfang des endgültigen Niederganges dieses heimtückischen Volkes, denn Gor, konnte immer mehr She’Daan aus ihren Ketten erlösen, womit den Finsterelfen der schlagkräftigste Teil ihrer Armee fehlte. Denn im Kampf, daß betonte Krogh in seinen Ausführungen immer wieder, kann es kein Volk mit den She’Daan aufnehmen. Am Tag dieser Schlacht hatte Gor, ebenfalls seinen 25igsten Geburtstag, der Tag, ab dem jeder She’Daan jetzt und in alle Ewigkeit das Recht auf Freiheit und eigene Meinung hat, der Tag an dem er erwachsen wird.

Krogh hatte seine reichlich ausgeschmückten Erzählungen gerade beendet und wollte zur Tränke um etwas zu Trinken, als ein äußerst übel gelaunter Gurtangk die Minen inspizierte. „Riesenbaby, was grinst Du so dämlich“ schnauzte er Krogh an. „Ich grinse dann, wann ich es will“ antworte ein wenig beeindruckter Krogh. Gurtangk hatte sofort sein großes Schwert in der Hand, doch kurz bevor er es auf den wehrlosen She’Daan herabrauschen ließ, hielt er inne und schrie: „ Missgeburt, jetzt werden wir es wie Männer ausmachen. Wachen, nehmt ihm die Ketten ab, gebt Ihm eines meiner eigenen Schwerter und bringt Ihn nach draußen“. Selbstsicher schritt er zum Ausgang der Minen um draußen auf Krogh zu warten. Dieser wurde von aufgeregten Wachen von seinen Ketten befreit, sie erwarteten freudig den kommenden Zweikampf. Als Krogh den Vorplatz betrat, hatten sich schon eine große Anzahl von Orks und dazwischen viele Sklaven versammelt, trotz der Kälte und des tobenden Schneesturms. Krogh bekam ein zweihändiges Schwert, daß in seiner Qualität dem Gurtangk’s in nichts nachstand. Beide stellten sich gegenüber auf und für einen winzigen Moment konnte man so etwas wie Überraschung in Gurtangk’s Gesicht erkennen. Er erkannte sofort, daß Krogh nicht zum erstenmal ein Schwert in der Hand hielt, da ich, was niemand wußte, ihm im letzten Jahr heimlich die Disziplin des Kriegers gelehrt hatte und Krogh sich als äußerst gelehriger Schüler erwiesen hatte.

Der Kampf wurde eröffnet und leider zeigte sich schnell, daß Krogh gegen den erfahrenen Gurtangk kaum eine Chance haben würde, auch wenn er im vergangenen Jahr, trotz der schlechten Ernährungen, noch unglaublich an Größe und insbesondere an Muskelmasse zugelegt hatte. Doch Gurtangk und auch Krogh taten genau das, worum ich Gonnth anflehte. Gurtangk fing an Krogh zu unterschätzen und zur Belustigung der Orks mit ihm zu spielen, Krogh bliebt trotz der abfälligen Bemerkungen und der vielen leichten Schnitte und wenigen schwereren Treffer ruhig und wartete auf seine Gelegenheit, um sie gnadenlos zu nutzen. Gurtangk nahm nach einem besonders schönen, aber uneffektiven Treffer eine Jubelpose gegenüber dem scheinbar schwer angeschlagenen Krogh ein, dieser schnellte mit einem Sprung hervor und rammte Gurtangk mit all seiner Kraft sein Schwert in die ungeschützte Flanke. Mit einem Schrei aus Schmerz und Überraschung stürzte Gurtangk zu Boden und Krogh konnte mit einer schnellen Reaktion einen weiteren schweren Treffer landen, bevor der Ork wieder auf die Beine kam.

Für einen kurzen Moment herschte gespenstige Stille, nur das Brausen des Sturmes war zu hören. Gurtangk lag bewegungslos und stark blutend am Boden. Genauso plötzlich brach wirres Geschrei los, einige Wachen griffen zu ihren Waffen, andere versuchten Gurtangk zu helfen. Dazwischen liefen heimlich jubelnde Sklaven, die meisten um sich in Sicherheit zu bringen, aber viele versuchten auch Krogh zu erreichen um ihn zu beglückwünschen. Dieser rannte geistesgegenwärtig in meine Richtung, wischte die wenigen Wachen, die sich bei dem Gewühl in seinen Weg stellen konnten, zur Seite. Er wuchtete mich auf seine Schulter und spurtete mit einer für seine Körpermaße enormen Geschwindigkeit in Richtung der Palisaden. Diese waren, Gonnth sei Dank, unbesetzt, da alle Wachen dem Zweikampf beiwohnten. Krogh rannte ungebremst auf das massive Tor zu und rammte es ein, als wäre es aus Pergament.

Ich weiß nicht mehr wie lange Krogh mit mir auf den Schulter durch die schneebedeckten, bewaldeten Hügel lief, aus dem Lager der Orks hörte man, durch den immer stärker zu werdenen Sturm, der alle Spuren sofort davonwehte, noch schemenhaft die gellende Stimme des Häuptlings der Orks, die in meinem Kopf waberte, bis ich das Bewußtsein verlor.

 

8.1.700

Als ich erwachte stand die Sonne hoch am Himmel, das erste mal seit Wochen war der Himmel klar und die Strahlen wärmten trotz der klirrenden Kälte. Krogh, der bewußtlos zu sein schien, hatte sich schützend und wärmend über mich gelegt. Als er am Nachmittag erwachte, schien die Sonne immer noch und er konnte mit dem Schwert Gurtangk‘s einen Schneehasen zu erlegen und schaffte es sogar aus fast nichts ein kleines Feuer zu entfachen.

Da Krogh sich sicher war, daß keiner aus seiner Siedlung überlebt hatte und diese zu dicht bei den Orks lag, beschlossen wir in das Waldgebiet an den nördlichen Ausläufern des Kreuzgebirges zu ziehen, meiner Heimat.

 

18.1.700

Am frühen Nachmittag erreichten wir das Dorf in dem ich geboren wurde und gelebt hatte, bis mich die Orks vor ewiger Zeit weiter im Norden gefangen nahmen. Der Schnee lag höher als ich es jemals vorher erlebt hatte und von dem Dorf standen nur noch Ruinen. Der Anblick der verkohlten Häuserreste ließ mich zum ersten mal seit langer Zeit spüren, wie alt ich eigentlich war, gleichzeitig fühlte ich ein Gefühl von Freiheit, daß ich nicht mehr geglaubt hätte, jemals zu spüren.

 

Ich weiß, daß ich in dieser Nacht für immer Einschlafen werde. Gonnth, ich flehe Dich an, Krogh auf seinen heldenhaften Wegen für immer.