8. Anan Khan
sollte bald von sich hören lassen. Aber bis zum 11.8.704 verstrich
die Zeit ereignislos. Scharta beaufsichtigte den Bau des Schiffes, Bainar
nährte wahrscheinlich seinen Geiz, ich arbeitete weiter an Qui' Lanas
Rüstung und sie überwachte die Kirche am Friedhof, was ihr zum
Verhängnis werden sollte. Am Abend kam sie in unser gemeinsames Zimmer
in der "Drachenklaue" und ein merkwürdig starrer Blick
hätte mich warnen sollen, denn plötzlich griff sie mich an.
Ich hatte Glück, dass sie in dem niedrigen Zimmer keinen ihrer gefährlichen
Sturzflüge ansetzen konnte, aber die Überraschung war auf ihrer
Seite. Ich versuchte mich zu wehren, ohne sie dabei zu verletzen, denn
eines war klar: hier musste ein Dämon im Spiel sein. Scharta hörte
mein Rufen aus dem Nebenzimmer, dass er mit Bainar teilte und konnte die
besessene Windelfin mit Hilfe seines Netzes einfangen. Im gleichen Moment
entlies der Dämon sie aus ihrem Bann und sie starb auf der Stelle.
Da die eingeflössten Tränke wirkungslos waren, sprinteten wir
mit ihrem kleinen leblosen Körper zum großen Tempel des Geladion,
dem Sitz Ka' Undres, des bekanntesten Heilers von ganz Chemlon. Dieser
ruft ohne viele Fragen Tan' Y' Gan zu sich und seinen ersten Schüler,
doch nach fünf Stunden müssen die drei erschöpft aufgeben,
Qui' Lana war nicht mehr zu retten.
In tiefer Trauer machten wir dem Tempel eine großzügige Spende,
zum Dank an Ka' Undre und Geladion für ihre Mühe, danach versanken
wir alle in einen unruhigen Schlaf. Die unglückliche Qui' Lana, dass
hatte uns Ka' Undre noch mitgeteilt, muss von einem sehr mächtigen
Dämon besiegt worden sein, der sie dann als untote Wiedergängerin
zu mir in das Zimmer schickte. Am Nachmittag beerdigten wir sie vorerst
provisorisch, denn sie sollte später einen würdigen Grabstein
erhalten, ein in edlem Marmor gehauener Baum und sicher mit all ihren
Gegenständen und meiner für sie gefertigten Rüstung begraben
werden. Ihre Grabstätte würde folgendes Aussehen erhalten:
Wir organisierten
alles für die kommende ehrenvolle Beerdigung und die provisorische
Einbettung wurde in Qui' Lanas Sinne ein rauschendes Fest. Am nächsten
Morgen erreichte uns eine Botschaft Tan' Y' Gans und wir eilten zum Kloster.
Er teilte uns seine Vermutung mit, dass der mächtige Dämon,
der Qui' Lanas Verhängnis wurde, der Auftraggeber Anan Khans wäre.
Dieser ist sein Werkzeug in Aynua, da aufgrund der Schutzzauber Vrorks,
durch die Aynua geschützt wird, der Dämon nicht in die Stadt
gelangen kann. Solche mächtigen Dämonen sind kaum zu besiegen,
es sei denn, man kann ihren wahren Namen herausfinden. In der Bibliothek
von Nippur wäre es möglich, darüber Informationen zu erhalten
und der Truchsess könnte ebenfalls Auskunft darüber geben. Sofort
nach dem Besuch im Kloster buchten wir eine Passage Richtung Nippur, jedoch
fuhr das nächste Schiff erst in drei Tagen, am 15.8.704.
Die Tage bis zur Abreise blieben Scharta und ich meist zusammen, denn
die Ereignisse der letzten Tage hatten uns vorsichtig gemacht und Geheimhaltung
war jetzt nicht mehr möglich. Ich suchte mir eine Schmiede in der
Nähe der Werft, wo Scharta regelmäßig den Bau des Schiffes
unterstützte und arbeitete weiter an Qui' Lanas Rüstung. Bainar
verbrachte die Tage bei Baragos, einem Geisterbeschwörer des zehnten
Kreises, der ihm verhalf, eben diesen Kreis zu erlangen. Die Schiffsreise
verlief ähnlich zäh wie die letzten Tage, denn der Wind blies
nur seicht über die Meeresenge nach Nippur. Auch die Elemente schienen
um Qui' Lana zu trauern und ihren Gedanken nachzuhängen.
Am Mittag des 18.8.704 erreichten wir Nippur und suchten nach erfolglosem
Aufenthalt in der Bibliothek den Truchsess Darien Eldamar auf. Dieser
war erfreut uns zu sehen, aber auch betrübt, denn er hatte von dem
Tod Qui' Lanas gehört. Er schlug eine hervorragende Methode zur Vergangenheitsbewältigung
vor, die Aufnahme von schmackhaften Getränken, die vorher einen Gärungsprozess
durchlaufen hatten. Ohne das viel Überredungskunst nötig war,
schlossen wir uns der Methode an. Leider konnte auch er zu dem Dämon
nichts sagen, aber er hatte von einem gewissen Sarawar gehört, einem
Geisterbeschwörer, der sich sehr gut in diesem Bereich auskennen
soll. Dieser trat jedoch selten in die Öffentlichkeit und kaum jemand
wusste, wo er sich momentan aufhält. "Oh Gonnth", dachte
ich bei diesen Worten und nahm einen tiefen Schluck aus meinem Krug, der
sofort wieder aufgefüllt wurde, "so viele Namen und keiner weis
etwas, wo bleibt da der ehrliche Kampf bei all dem sinnlosen Hin- und
Hergereise - stell dich endlich Anan Khan, feiger Hund" und ich stellte
mir vor wie ich einem Assassine den schwarzmaskierten Kopf von seinen
Schultern schlug - "Dieb, wovon spricht der jetzt?". Ich hatte
trotz meines leicht benebelten und abwesenden Zustandes richtig gehört.
Darien sprach von einem Dieb, der warum auch immer in seinem Kerker saß,
leider hatte ich den Anfang seiner beschwingten Erzählung verpasst.
Dieser Dieb wusste angeblich, wo man diesen Sarawar finden könnte.
"Nun gut, zumindest etwas" dachte ich noch und muss eingeschlafen
sein, denn erst spät am nächsten Morgen wachte ich auf.
Nach einem besonders herzhaften Frühstück suchten wir diesen
Verbrecher, sein angeblicher Name lautete Dalanthor, auf und ließen
uns von seinen Worten überzeugen, dass er uns zu Sarawar führen
kann. Eigentlich wollte ich ihn noch fragen, warum er eigentlich in diesem
von Ratten bewohnten Keller gelandet ist, aber irgendwie muss ich es mit
meinem dicken Kopf vergessen haben. Wir machten einen Treffpunkt am Hafen
für den nächsten Morgen mit ihm ab, denn er erhielt durch den
Deal seine Freiheit wieder. Für den Nachmittag konnte ich Scharta
und Bainar davon überzeugen, einen langen Spaziergang durch Nippur
zu machen.
Es war ein schöner Morgen, der des 19.8.704, als Anan Khans Schüler,
er selber traute sich wohl nicht, uns hinterhältig angriff. Am verabredeten
Treffpunkt kamen wir drei und Dalanthor fast zeitgleich an, als plötzlich
aus dem Hinterhalt vergiftete Bolzen auf uns niederprasselten. Der versteckte
Schütze wurde sofort entdeckt und floh in wilder Hast, aber wir konnten
ihn abfangen. Er war ein hinterhältiger Gegner, denn er benutzte
ein tödliches Gift. Bainar und Scharta konnten nur gerettet werden,
da wir hervorragende Tränke gegen dieses Gift besaßen, Selekyl
sei Dank. Aber im Endeffekt war er doch nur ein Schüler und von einem
schlechten Meister in den Tod geschickt, denn Dalanthor und ich besiegten
ihn nach kurzer Zeit. Entgegen meiner Vermutung kämpfte Dalanthor
mutig und gab dem gedungenen Mörder seinen letzten und verdienten
Hieb. Wir fanden einen Brief, den er bei sich trug und der folgenden Inhalt
hatte:
Verehrter A.,der Blutpriester
hat, wie immer, sein Wort gehalten und Euch als kleine Belohnung das versprochene
"Wachhündchen" geschickt. Ihr solltet aber nicht damit
spielen, weil eure Dienste ja schließlich noch weiter benötigt
werden.Euer untertäniger Diener, W.
Das es sich bei dem
Toten um den Schüler handelte, der seinem Meister als Boten diente,
war natürlich nur eine Vermutung, aber es konnte unmöglich Anan
Khan selber gewesen sein. Blieb die Frage, wer ist dieser W.? Vielleicht
kann uns Sarawar weiterhelfen!
9 Das vorläufige
Ende
konnte keiner voraussehen, als wir gemeinsam am frühen Morgen des
22.8.704 wieder in Aynua ankamen. Während der Fahrt erzählte
uns Dalanthor eine sehr widersprüchliche Geschichte, in der er Sarawar
als sehr unsympathisch beschrieb. Irgend etwas stimmte an dieser Geschichte
aber nicht und ich für meinen Teil hatte mein altes Misstrauen wiedergewonnen,
dass Dieben gegenüber angebracht scheint. Sofort nach der Ankunft
begaben wir uns zu Tan' Y' Gan und schauten auf dem Weg dorthin beim Friedhof
vorbei. Der dort von Bainar postierte Wachgeist konnte interessante Dinge
berichten. Vor vier Tagen gab es eine große Finsternis und ein Geisterbeschwörer
habe sich mit einem mächtigen Dämon unterhalten. Der tapfere
Wachgeist war daraufhin geflohen und konnte leider nichts von der Unterredung
berichten. Wir waren uns jedoch sicher, dass waren der Blutpriester und
W. und wahrscheinlich hat der Brief, den der Schüler bei sich trug,
von diesem Treffen berichtet. Vielleicht war der Schüler auf dem
Weg zu seinem Meister, der sich dann also in Nippur aufhalten müsste
und hatte uns übermütig angegriffen - viele offene Fragen!
Bei Tan' y' Gan erfuhren wir mehr über den Blutpriester, der auch
Nosferatu genannt wird. Er ist ein äußerst mächtiger Dämon,
einer der sechs Subkönige der Unterwelt, über denen nur noch
die sechs Dämonenkönige stehen - also ein übermächtiger
Gegner, auch wenn man den wahren Namen kennt und das Talent "Dämonen
Entgegentreten" beherrscht leider niemand von uns. Es wird vereinbart,
dass Dalanthor ein Treffen mit Sarawar arrangiert, den Tan' Y' Gan als
mächtig bezeichnet - was immer das bedeuten mag, können diese
Weisen nicht mal ein wenig präziser sein? Das Treffen wird in zwei
Tagen, am 24.8.704, in der Drachenklaue vereinbart. Bevor wir Tan' y'
Gan wieder verlassen ernannte er zu unserer Überraschung Dalanthor
zum Spieler des großen Spiels, was wir drei schon länger waren.
Tan' Y' Gan schien ihm absolut zu vertrauen und auch bei uns wichen die
Zweifel an seiner Aufrichtigkeit. Während der zwei Tage wurde beschlossen,
ein geräumiges Haus in der Stadt zu erwerben, dicht am Hafen mit
Platz für eine Schiffshalle und Schmiede, mit einem Innenhof und
mehreren geräumigen Zimmern. Schon am Nachmittag wurden wir fündig,
in der Klabautermannmole 3, direkt neben dem "Blauen Haken"
fanden wir ein perfektes Haus. Der Besitzer Cresguz, ein freundlicher
Mann, der seine Werkstätten für Ketten aller Art, insbesondere
für Ankerketten in diesem Gebäude hatte, war zunächst sehr
abgeneigt. Aber nach zähen Verhandlungen am nächsten Tag lässt
er sich für den stolzen Preis von 2600 Goldstücken zum Verkauf
bewegen.
Bainar, dass muss hier ganz besonders erwähnt werden, zeigte sich
nach seiner kürzlichen Geizattacke bei Selekyl ungemein großzügig
und zahlte ohne irgend ein Murren - oh Gonnth sei Dank - die Hälfte
des Kaufpreises aus seinem Geldbeutel, da sich in der Gemeinschaftskasse
nur noch 1300 Goldstücke befanden. Vielleicht war diese Attacke ja
wirklich nur ein vorübergehendes Verwirrtsein, ausgelöst durch
den vielen Stress, den wir davor hatten oder einfach nur durch seine schlechte
Laune am besagten Tag - ein interessantes Phänomen, dass es weiter
aufmerksam zu verfolgen gilt.
Da Cresguz noch Zeit zum Ausziehen benötigte und wir kleine Umbauten
vornehmen lassen wollten, würde das Haus voraussichtlich am 10.10.704
bezugsfertig sein und dann folgenden Grundriss haben:
Nach dem Kauf an diesem
Nachmittag hatten wir auf jeden Fall einen Grund zu feiern. Als wir gerade
aus dem Innenhof unseres neuen Hauses in Richtung "Drachenklaue"
abbogen, stand plötzlich ein noch viel größerer Grund
vor mir. Randa, ein Krieger und entfernter Verwandter aus meiner Sippe,
einer der wenigen, der mich an Köpergröße noch übertrifft
- welche Freude! In der "Drachenklaue" musste somit erstmal
eine Runde geschmissen und ordentlich angestoßen werden. Da Randa
sowieso in den nächsten Monaten auf seine Wanderschaft gehen wollte,
war er etwas früher aufgebrochen, um mir die Nachricht zu überbringen,
dass mein gerade verstorbener, steinreicher Onkel Babaron, Gonnth sei
seiner Seele gnädig, mir ein großes Anwesen auf Gol, nicht
weit von den Schmieden Mols, vermacht hatte. Er war einer der wenigen,
die nicht den Weg des Schmiedes gewählt hatten, sondern er war früh
ausgezogen und ein gewiefter Händler geworden.
Was für ein herrlicher Tag, dieser 23.8.704, dachte ich, als gegen
Abend ein Händler völlig aufgelöst in die "Drachenklaue"
stürzte und schrie, dass Unholde ihr Unwesen trieben. Nachdem ich
ihn ordentlich durchgeschüttelt hatte, brachte er noch heraus, dass
eine Prozession auf dem Friedhof überfallen wurde. Sofort hetzten
wir vier Richtung Friedhof, Dalanthor hatte seit dem Nachmittag irgendwelche
Geschäfte zu erledigen, und sahen durch die fliehenden Menschen hindurch
mehrere Gargoylen und eine Kristallspinne, ein Konstrukt des Dämons.
Das Aussehen und die Aura der Spinne waren fürchterlich, so dass
Randa und Scharta gelähmt waren vor Angst. Bainar und ich gaben alles,
aber Gonnth schien an diesem Abend nicht mit uns zu sein. Auch Bainar
fiel und die widerwärtige Spinne konnte jedem meiner Angriffe ausweichen
- böse Magie war im Spiel! Schlag um Schlag verfehlte ich die Kreatur
und sie hieb auf mich ein, lies ihre Magie auf mich herunterfahren und
in der Hoffnung diese Zeilen irgendwann vollenden zu können, verlor
ich das Bewusstsein!
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