5. Das Gegengift


müsste in spätestens vier Monaten da sein, ansonsten würde König Timal sterben", sagte uns Tan' y' Gan, als wir am frühen Morgen des 8.5.704 sein Kloster erreichten. Da wir möglichst wenig Aufsehen in Aynua erwecken wollten, segelten wir direkt an die Küste östlich von Aynua und einige Kilometer südwestlich des Klosters. "Der feige Attentäter konnte in den Palast eindringen und tötete die gesamte Leibgarde Timals. Entscheidend ist jetzt aber weniger der Täter, als das Leben Timals zu retten", führte Tan' y' Gan weiter aus, "es gibt nur eine Chance gegen dieses machtvolle Gift, das "heilige Wasser der unterirdischen See" das der Mondwächter des Ostens, der auf der Insel Sed Squizz lebt, in seinem Besitz hat. Ninh G' Je, heißt dieser mächtige Bootsmann, der das Wasser bereitwillig für diese Zwecke zur Verfügung stellen würde. Das Problem ist nur die weite Strecke, denn Sed Squizz liegt sehr weit im Norden, eine Insel im Golf. Da es hier im Umkreis keine Geisterbeschwörer gibt, die dort Knochenkreise besitzen, bleiben nur geflügelte Boten. Auf der Insel der Greifenreiter gibt es hoch in den Bergen ein ebensolches Volk, Hochelfen die viele schnelle Greifen ihr eigen nennen. Jedoch scheuen sie den Kontakt mit Außenstehenden und arbeiten normalerweise nicht für sie. Jedoch hörte ich von einem gefährlichen Problem, dass sie seit einiger Zeit haben, aber ich weis nicht, worum es sich dabei genau handelt. Löst ihr dieses Problem, wären sie sicherlich sehr dankbar". Die vielen eindringlichen Worte des weisen Mannes, kaum waren wir im Kloster angekommen, überwältigten uns für einen kleinen Moment, "die gesamte Leibgarde des Königs - mächtig", dachte ich. Dann aber überwanden wir den kurzen Schock, das Leben eines Abenteurers ist hart aber ungerecht und Taten waren notwendig.
Noch am gleichen Tag setzten wir erneut die Segel und hatten 12 Tage Seefahrt vor uns, denn die Insel der Greifenreiter lag weit hinter der Nippur-Inselgruppe in der offenen See und die Winde waren ungünstig. Unterwegs gerieten wir in einen schweren Sturm, der Bainar und Qui' Lana magentechnisch schwer zu schaffen machte, jedoch bewies Scharta hervorragende Bootsmannqualitäten und brachte uns spielend durch das schwere Unwetter. Am Mittag des 20.5.704 erreichten wir die Insel und landeten bei einem kleinen Fischerdorf namens Cudaec an. Der Weg zu den Greifenreitern war einfach zu finden, sagten die Dorfbewohner, die Berge so hoch gehen wie möglich. Viele Tage mühseligen Bergwanderns und viele Kletterpartien lagen vor uns, denn einen richtigen Weg konnten wir kaum ausmachen. Am vierten Tag erspähte Qui' Lana zwei Greifenreiter. Diese waren sehr kurz angebunden und forderten uns auf, in ihre Stadt zu kommen, zwei weitere Tage den Berg hinauf. Kurz nach der Begegnung mit den Greifenreitern kam eine erste steile Wand, die es mit Hilfe von Seilen zu erklimmen galt. Trotzdem rutschte der gute Bainar ungeschickt aus und verstauchte sich den Knöchel. Viel Gejaule und zwei Tage ausruhen waren notwendig. Noch weitere Kletterpartien lagen vor uns und Qui' Lana, die natürlich absichtlich um unsere schwitzenden Köpfe flatterte, hatte Glück, dass ich beide Hände zum Klettern brauchte. Endlich, am 28.5.704 kamen wir in die Stadt der Greifenreiter. Sie war größer als wir es erwartet hätten, eigentlich eine ganz normale, belebte mittelgroße Stadt. Ein Hochelf Namens Dandra empfing uns ausgesprochen freundlich und da die Zeit knapp war, kamen wir schnell zur Sache. Wir schilderten unser Anliegen und Dandra das Problem des Elfenclans, ein mächtiger Winddrache namens Nessim, der auf einer der umliegenden Inseln hauste und in letzter Zeit häufig die Greifenreitersiedlung angriff. Ein Drache, was für eine gefährliche Herausforderung, ein wahrer Gegner. Da es aber das Schicksal von Abenteurern ist, sich in tödliche Gefahr zu begeben und natürlich auch, weil ein gigantischer Hort auf uns warten dürfte (so lauteten zumindest alle Drachenlegenden), versprachen wir uns des Problems anzunehmen. Noch am gleichen Tag schickte Dandra zwei der besten Kuriere Richtung Norden, das "heilige Wasser" zu holen. Sie würden voraussichtlich in zwei Monaten wieder zurück sein.
Wir versuchten als erstes den Aufenthaltsort des Drachen in Erfahrung zu bringen. Im "Zotteligen Greifen", einer guten Kneipe mit ordentlichem Bier, erfuhren wir nach einiger Fragerei, dass der Drache irgendwo in südlicher Richtung zu finden sei, wahrscheinlich ungefähr 400-500km Luftlinie entfernt. Ich weis nicht, ob es Qui' Lana und Bainar genauso ging, aber ich freute mich auf die neue Schiffsreise, denn irgendwie mochte ich dieses ständige auf und ab der Wellen; nur Platz für ein richtiges Schmiedefeuer müsste man haben. Völlig kaputt von der tagelangen Kletterei verbrachten wir die Nacht in der Kneipe, die auch Zimmer anbot, jedoch waren die Betten viel zu klein. Vor dem gemütlichen auf und ab waren erstmal wieder einige Tage Kletterei angesagt. Ohne weitere Knochenbrüche gelangten wir acht Tage später am 7.6.704 wieder nach Cudaec. Von einer äußerst merkwürdigen und beeindruckenden Begebenheit am sechsten Tag des Abstieges muss an dieser Stelle auf jeden Fall noch berichtet werden. Die Tage vorher waren grau und bedeckt und in den Bergen wehte trotz des Frühlings ein sehr kühler Wind (selbst Qui' Lana war es zu kühl zum Sprechen). Aber an diesem sechsten Tag riss der Himmel plötzlich an einer kleinen Stelle auf und herrliches, warmes Sonnenlicht beschien eine kleine, geschützte Lichtung. In dem kleinen Fleck strahlend blauen Himmels erschien das Gesicht eines kräftigen bärtigen Mannes in seinen besten Jahren. Wir fielen auf die Knie und murmelten Gonnth über unsere Lippen. Die ganze Situation wirkte berauschend und die Worte Gonnths durchdrangen uns tief und unvergesslich. Er sprach freundlich und lobte unseren Heldenmut, dem Drachen entgegen treten zu wollen. Für die uns bevorstehenden Aufgaben, würde er jedem einen persönlichen Wunsch erfüllen. Sofort fiel uns eine kleine junge Eiche auf, die in der Mitte der Lichtung stand und an der genau vier Eicheln hingen. Dankbar nahmen wir dieses Geschenk an, aßen die Eicheln und noch bevor wir einen Wunsch in Gedanken formuliert hatten, entschwand das Gesicht, aber die warme Lichtung blieb noch für eine gewisse Zeit, so dass wir pausierten und uns mit dem Proviant stärkten. Von dieser Stunde an war Bainar ganz besonders gewappnet gegen magische Angriffe von Dämonen, Scharta kämpfte ohne jeden Hauch von Müdigkeit, Qui' Lana sollte in den folgenden Kämpfen ständig fürchterliche Treffer erzielen und ich konnte mein Feuerblut-Talent, ohne mich noch darauf konzentrieren zu müssen, einsetzen.

 

6. Drachen


haben den Vorteil, dass sie sehr groß sind und eindeutige Spuren hinterlassen. Nach vier Tagen am 11.6.704 hatten wir die beschriebene Insel erreicht. Ganz sicher waren wir uns, als Qui' Lana vom Ufer aus eine große Schneise im Wald entdeckte. Das musste ein Drache gewesen sein, dachten wir uns. Später wurde uns klar, dass diese Schneise nicht von einem Drachen angelegt, sondern für ihn angelegt wurde. Sie zog sich drei Tage lang bis in die Mitte der Insel und endete an einem gigantischen Steintor, davor eine ebenso gigantische Statue, sicherlich 30m hoch. Wahrscheinlich war die ganze Anlage eine Opferstätte für den Drachen. Am Morgen des vierten Tages auf dieser seltsamen Insel näherten wir uns vorsichtig dem Portal. Noch bevor wir das Tor für genauere Untersuchungen erreichten, sprach plötzlich eine tiefe Stimme zu uns, sie schien aus dem Nichts und einer anderen Zeit zu stammen - oder war es etwa die Statue, die zu uns sprach? Die Stimme forderte uns auf, etwas für den Drachen zu opfern oder gegen ihn zu kämpfen. Hervorragend, die Statue weis Bescheid, genau das wollten wir und im gleichen Moment hörten wir leise nur noch: "Dann beweißt Euren Mut und erweißt Euch würdig für den ehrenwerten Drachen"! Wir hörten einen kleinen Ruck über unseren Köpfen und die "kleine", menschengroße Statue, die auf der Schulter der großen saß, sprang zu uns hinab und schwang elegant ihr steinernes Schwert. Ein harter Kampf entbrannte und die belebte Statue setzte uns mächtig zu, aber gemeinsam konnten wir sie bezwingen und betraten die gigantischen Gänge und Hallen der Drachenbehausung.
Die Dimensionen der Gänge und Hallen beeindruckten uns sehr, selbst die Zwerge des Kreuzes, die in den Legenden als die begnadetesten Steinmetze galten, wären vor Neid erblasst. Die Gänge, oder besser Tunnel waren glatt poliert und glänzten in dem magischen Licht, was aus der Decke strömte. Feine Muster, die wie Bänder die Gänge durchzogen, weiteten sich in den riesigen Hallen zu großflächigen Bildern von Kriegen, Drachen und Menschen, die Opfer brachten. Inmitten der bis dahin größten Halle, sahen wir plötzlich einen Drachen, oder war es nur eine Statue - weder noch, es war das Skelett eines riesigen Drachens, dass uns auch sofort ansprach, die Stimme war bestimmt, aber überraschender Weise sehr freundlich: "Endlich wieder wagemutige Helden in diesen trostlosen Hallen, Nokron grüßt Euch! Gut, kommen wir gleich zu eurem Anliegen, aber Nokron muss Euch warnen, denn ihr wäret nicht die ersten, die an dieser Aufgabe scheitern und als Frühstück des jungen und ungestümen Drachens Nessim enden. Die Prüfung des Körpers habt ihr gemeistert, jetzt wird Nokron Euch der Prüfung des Geistes unterziehen, seit Ihr bereit?" Eine beklemmende Stille breitete sich nach seiner Ansprache in dem Gewölbe aus und wie gelähmt nickten wir. Er stellte uns ein kniffliges Zahlenrätsel, mein Spezialgebiet, denn es war das Lieblingsspiel meines Großvaters Albaron, mir ständig solche Rätsel zu stellen und mit seinen weit mehr als tausend Jahren hatte er eine Menge davon aufgeschnappt. Er sagte immer, dass "hält den Geist flüssig" - Gonnth sei seiner toten Seele gnädig! Es war in der Tat ein sehr schwieriges Rätsel und während die anderen sich noch die Köpfe zerbrachen, platzte ich mit der vermeintlichen Lösung heraus. Der Drache schaute mich bedächtig aus seinen leeren Augenhöhlen an und ich begann an meiner Lösung mehr und mehr zu zweifeln. "Nun gut" sagte er dann, "damit habt ihr eventuell Euer Leben verwirkt, denn der Kampf, der Euch jetzt bevorsteht, wird hart werden - zumindest die Prüfung des Geistes habt ihr bestanden!"
Der Drache schien zu lächeln, soweit man das anhand seiner blanken Kieferknochen einschätzen konnte und Erleichterung kam über uns. "Nun denn, Nokron wünscht Euch alles Gute und bietet Euch an, Euer Schicksal in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen!". Mit überraschender Eleganz hob er seine rechte Knochenpranke und hielt ein silbernes Tablett, auf dem sich ein uraltes Kartenspiel befand. "Karten des Schicksals", murmelten Bainar und Scharta, die es schon früher einmal kennen gelernt hatten. Die Legenden sagen, diese äußerst seltenen Kartenspiele wurden in den prächtigen alten Tagen von mächtigen Magiern zur Unterhaltung geschaffen, oder sogar von den Göttern selber, um die Sterblichen auf die Probe zu stellen. Scharta und Bainar warnten uns vor den möglichen Gefahren, wenn auch viele große Chancen darin lagen. Wir einigten uns darauf, erst den Kampf zu bestehen und dann eventuell unser Schicksal herauszufordern.
So verließen wir vorerst Nokrons Halle und machten uns durch ein Portal auf den Weg in die anschließende, die noch um ein vielfaches größer war. Nachdem alle möglichen Vorbereitungen getroffen und geschluckt worden waren, schritten wir in das gigantische Gewölbe und der große glitzernde Haufen am anderen Ende der Halle lies unsere Abenteurerherzen höher schlagen und bestätigte die Legenden, als der Drache mit seinem Odem auf uns niederfuhr. Mich hat es als erstes erwischt, denn der Drache konzentrierte seinen Odem auf mich. Danach fiel Scharta und kurze Zeit später Qui' Lana. Bainar aber blieb standhaft und konnte nach einem mörderischen Kampf den Drachen mit seiner Magie bezwingen. Nokron half uns die unterschiedliche Macht der insgesamt 42 magischen Gegenstände, die der Winddrache gehortet hatte, einzuordnen. Und er half mir, der ich schon das gleißende Licht der ewigen Kampfgründe sah, indirekt mit den angebotenen Karten wieder das lebendige Licht der Sonne zu erblicken. Qui' Lana war es und ich werde dieser mutigen kleinen Frau auf immer dankbar sein, die mir das Leben schenkte. Die "Karten des Schicksals" boten ihr an, das Schicksal einmal nach ihren Wünschen zu verändern, und sie entschied sich dafür, mich wieder unter den Lebendigen wandeln zu lassen. Beeindruckt von der Macht der Karten nahmen wir auch das zweite Angebot des Drachen an, dass er auf einem Tablett in der anderen Pranke hielt, die "Würfel des Schicksals" und einiges sollte sich für uns ändern, an diesem denkwürdigen Tag, dem 15.6.704, in der riesigen Höhle eines ehemaligen Drachen, wichtigere und unwichtigere Dinge - davon später mehr.
Da die Greifenreiter frühestens Ende Juli mit dem lebensrettenden Elixier zurückkehren würden, beschlossen wir, einige Zeit auf der Insel zu verbringen. Daraus wurden insgesamt fast vier Wochen, in denen wir den gigantischen Komplex erforschten, uns mit einigen gefundenen Gegenständen näher beschäftigten und die riesigen Geldmengen auf die fast überladene Schaluppe luden. Nicht vergessen möchte ich den allergrößten Schatz, der uns zu Teil wurde, die Schuppen des Drachen - äußerst schwierig zu bearbeiten, aber Material aus dem undurchdringliche Panzerungen herzustellen waren. In der Zeit unterhielten wir uns ausgiebig mit Nokron. Er schien erfreut über die Gesellschaft und erzählte uns neben anderen Dingen viele interessante Legenden; er schien auf fast jedem Gebiet sehr belehrt und gab bereitwillig Auskunft. Zudem war er in der Lage, den durch den Drachenodem beschädigten Speer Qui' Lanas, mit einer unbezahlbaren Spitze aus dem wertvollsten aller Metalle, aus Mithril, zu reparieren. Dieser Speer wurde aus dem letzten Ast des Malornbaumes ihres Clans gefertigt, der Baum selber wurde wie der Clan durch einen mächtigen Dämonen zerstört. Die Legende sagt, dass wenn dieser Dämon durch den Speer fällt, wird an der Stelle, wo der Speer in den Boden gerammt wird ein neuer Malornbaum wachsen und der Clan in ungeahnter Blüte um diesen Baum herum neu entstehen. Kurz vor unserer Abreise am Morgen des 13.7.704 erzählte uns Nokron noch, dass er sich äußerst dankbar zeigen würde, wenn wir ihm "Fleisch" für seinen skelettierten Körper beschaffen würden. Welcher Art dieses "Fleisch" sein könnte, konnte oder wollte er aber nicht sagen.


7. Die Rettung


des Königs schien nicht mehr fern, denn aufgrund günstiger Winde und da wir den Weg auf der Insel ein wenig kannten erreichten wir schon am Abend des 21.7.704 die Stadt der Greifenreiter. Die Nachricht vom Tod des Drachens wurde frenetisch aufgenommen und während der kommenden Feierlichkeiten wurden wir als die wahren Helden verehrt, die wir ja erlicht gesagt auch sind. Dieses herrliche Gefühl kosteten wir bis zum Eintreffen der Greifenreiter am Mittag des 28.7.704 ausgiebig aus, denn nicht alle Auftraggeber wissen unseren Heldenmut so zu schätzen und wir wären alle gerne etwas länger geblieben, auch wenn leider keinerlei Halbogerfrauen in der Nähe waren (meine Ausstrahlung hatte seit dem Kampf mit dem Drachen doch erheblich zugenommen).
Noch berauscht von den überschwänglichen Feierlichkeiten verabschiedeten wir uns und brachen in großer Eile Richtung Aynua auf. Aufgrund des starken gleichmäßigen Windes aus südlicher Richtung konnte Scharta die alte Schaluppe zu ungeahnter Geschwindigkeit bringen, auch wenn die Segel und Spanten zum Teil bedrohlich knarrten; es war ein herrliches Gefühl am Bug zu stehen und den Wind sich um die Ohren wehen zu lassen. Schon am frühen Morgen des 28.7.704 konnten wir am Horizont den Küstenstreifen in der Nähe Aynuas erblicken, die Götter schienen uns besonders zugetan, dachten wir, denn plötzlich brodelte das Wasser neben dem Schiff bedrohlich - eine gigantische Riesenkrake griff uns unvermittelt an! Ihre gigantischen Fangarme griffen nach uns und die dunklen Tiefen des Meeres drohten, aber ein Arm nach dem anderen konnten wir abschlagen und die Krake versank - wir hatten sie besiegt!. Scharta aber lag auf den Schiffsplanken und das tödliche Sekret der Krake hatte seinen Körper vergiftet. Gonnth sei dank, hatten wir das "heilige Wasser" von Sed Squizz bei uns und schon wenige Tropfen davon vertrieben das Gift aus Schartas Körper. Schnell war er wieder auf den Beinen, und man sollte es nicht für möglich halten, freiwillig folgte er der toten Krake in die unergründlichen Tiefen des Meeres. Diese Tyn Fehir sind schon ein seltsames Volk, aber hervorragende Schwimmer und Taucher. Die Minuten vergingen und als wir uns langsam ernsthafte Sorgen über den Verbleib unseres Freundes machten, tauchte er plötzlich aus den dunklen Untiefen des Wassers auf und hatte die Giftdrüse der Krake in der Hand, die er aus dem Körper des langsam aber sicher immer tiefer sinkenden Körpers heraus geschnitten hatte.
Wir landeten an der gleichen Stelle südöstlich von Aynua an, wie bei unserem letzten Besuch Tan' Y' Gans. Dieser war überfroh, eilte dann aber mit der wertvollen Ampulle zum Palast des Königs. Schon nach relativ kurzer Zeit erhielten wir die erlösende Nachricht, dass "heilige Wasser" hatte gewirkt und der König war wieder bei vollem Bewusstsein. Zudem erhielten wir eine Einladung in den Palast, in sechs Stunden am Abend dieses Tages.
Wir wollten die Zeit nutzen. Scharta und Bainar brachten das geliehene Schiff zurück und Qui' Lana und ich nahmen den Landweg in das nahe Aynua, um möglichst lange unbekannt zu bleiben. Unsere Schätze wurden vorerst in das Kloster gebracht und dort sicher verwahrt. In Aynua begibt sich Scharta sofort zum bekannten Schiffsbauer Rash und kann ihn überreden für den Preis von stattlichen 500 Goldstücken auf schnellstem Wege ein von Scharta konzipiertes Boot zu bauen. Rash verspricht in ungefähr 3 Monaten fertig zu sein, denn ein so schnelles und elegantes Schiff zu bauen, reizte ihn ungemein und er machte sich sofort an die Arbeit. Während sich Qui' Lana auf die Suche nach Tränken und Kräutern machte, suchte ich die Bibliothek auf, denn die Frage nach dem "Fleisch" für den werten Nokron interessierte mich doch ungemein. Ich fand heraus, dass das sogenannte "Feenholz" für den Zweck geeignet sein könnte. Man findet es auf Lichtungen, die von magischen Wesen bewohnt werden.
Nacheinander trafen wir im Palast des Königs ein und wurden schon erwartet. Der noch sehr bleiche König, weißer als der jungfräuliche Schnee auf den unberührten Gipfeln Gols, begrüßte uns. Bei ihm waren Tan' Y' Gan und seine, selbst für Halbogeraugen, bildschöne Tochter. In dem folgenden Gespräch wurden alle Informationen ausgetauscht, obwohl seit unserem letzten Aufenthalt in Aynua wenig neues passiert war. Wir beschlossen, dass über die Kontakte des Könighauses in der Stadt unauffällig die Information gestreut werden sollte, dass die Giftdrüse einer Krake von einem Halboger und einer Ceyth Qiuba zum Verkauf angeboten wird. Kontaktmann ist der Wirt der Drachenklaue, der gute Zwerg Andraa (der von den Mittelsmännern des Königs natürlich eine angemessene Vermittlungsgebühr erhält). Auf diese Weise hofften wir, Anan Khan, der an guten Giften immer interessiert sein dürfte, aus der Reserve zu locken. Vor dem Verlassen des Palastes versprach uns der äußerst dankbare Timal eine königliche Belohnung. Dankend nahmen wir an, aber erst nach Beendigung unseres Auftrages, also der Beseitigung Anan Khans wollten wir auf dieses Geschenk des Königs zurückkommen.
Qui' Lana hatte vor dem Besuch des Königs einen hervorragenden Kräuterhändler ausgemacht, den guten Miosch Monn und einen talentierten Alchimisten mit Namen Selekyl Sonnenglanz. Entsprechend seinem Namen empfingen uns beide mit glänzenden Augen, auch noch zu dieser späten Abendstunde. Sie hörten ihre Kasse schon klingeln, wie es nur nach Besuchen lebensmüder Abenteurer der Fall sein konnte. Entsprechend unseres neuen Reichtums kauften wir alles ein, was gut und teuer ist. Leider zeigte der gute Bainar an dieser Stelle, dass er sich leider gerne mal unglücklich verhält. Aus heiterem Himmel kroch eine der widerlichsten, typisch zwergischen Eigentümlichkeiten aus seinem gedrungenen Körper heraus, der Geiz und die Gier - oder lag es einfach nur daran, dass Geisterbeschwörer irgendwann zwangsläufig der Größenwahn packt und sie so den Hang zur Realität verlieren - Gonnth wird den wahren Grund kennen! Wie auch immer, plötzlich zickte Bainar ungemein rum und weigerte sich beharrlich, sich an der Gemeinschaftskasse, zum Beispiel für den Einkauf von Tränken, zu beteiligen. Er behauptete wie von Sinnen, wahrscheinlich war er von einem Dämon des Schwachsinns besessen, anders ist das Ganze kaum zu erklären, dass er weder Tränke noch den Schutz der ersten Reihe bräuchte, die natürlich ganz besonders viele und meist auch teure Tränke benötigten. Nach langer Diskussion und wenig Sinn, der Alchimist dachte in der Zwischenzeit mit Sicherheit, "Jungs, gebt mir schnell euer Geld, denn viele Überlebenschancen im harten Abenteurergeschäft gebe ich euch nicht mehr" (und er war ein weiser und vorrausschauender Mann), zahlten wir die Tränke ohne das Unglück. Stillschweigend war an diesem Abend Scharta, Qui' Lana und mir klar: Kein Geld bedeutet keine Tränke und keinerlei Schutz mehr für unsern kleinen übermütigen Freund und hätten wir nicht schon soviel durchgemacht, hätten wir ihm geraten in sein Kaff in den Sümpfen zurückzukehren, wo solche Ansichten möglicherweise üblich sind.
Am nächsten Morgen lies die strahlende Sonne die Welt schon wieder angenehmer aussehen und ich freute mich auf den Besuch beim Meister Wromgart. Er lauschte gespannt den Berichten der zurückliegenden Wochen (wobei ich die Verbindung zu Anan Khan und dessen Namen nicht erwähnte) und wurde besonders hellhörig, als ich auf die Drachenschuppen zu sprechen kam. Er bot mir an, da er die dafür nötige magische Schmiede besaß, für eine Bezahlung in Drachenschuppen, mir eine schwere Rüstung und ein Turmschild aus diesen zu fertigen. Dazu müsste er aber noch einige Erkundigungen einholen, da er selber wenig Erfahrung mit solchem Material besaß, somit konnte er über die Dauer bis zur Fertigstellung wenig Auskünfte geben. Auf der einen Seite war ich froh, da die Aussicht auf eine königliche Rüstung bestand, gleichzeitig etwas enttäuscht, dass mich Wromgart nicht selber an die magische Schmiede lassen wollte, was ich aber natürlich gut verstehen konnte. So begann ich in einer der normalen Schmieden seiner großen Werkstatt einen Lederpanzer für meine Lebensretterin Qui' Lana anzufertigen, der seines Gleichen suchte.