5. Das Gegengift
müsste in spätestens vier Monaten da sein, ansonsten würde
König Timal sterben", sagte uns Tan' y' Gan, als wir am frühen
Morgen des 8.5.704 sein Kloster erreichten. Da wir möglichst wenig
Aufsehen in Aynua erwecken wollten, segelten wir direkt an die Küste
östlich von Aynua und einige Kilometer südwestlich des Klosters.
"Der feige Attentäter konnte in den Palast eindringen und tötete
die gesamte Leibgarde Timals. Entscheidend ist jetzt aber weniger der
Täter, als das Leben Timals zu retten", führte Tan' y'
Gan weiter aus, "es gibt nur eine Chance gegen dieses machtvolle
Gift, das "heilige Wasser der unterirdischen See" das der Mondwächter
des Ostens, der auf der Insel Sed Squizz lebt, in seinem Besitz hat. Ninh
G' Je, heißt dieser mächtige Bootsmann, der das Wasser bereitwillig
für diese Zwecke zur Verfügung stellen würde. Das Problem
ist nur die weite Strecke, denn Sed Squizz liegt sehr weit im Norden,
eine Insel im Golf. Da es hier im Umkreis keine Geisterbeschwörer
gibt, die dort Knochenkreise besitzen, bleiben nur geflügelte Boten.
Auf der Insel der Greifenreiter gibt es hoch in den Bergen ein ebensolches
Volk, Hochelfen die viele schnelle Greifen ihr eigen nennen. Jedoch scheuen
sie den Kontakt mit Außenstehenden und arbeiten normalerweise nicht
für sie. Jedoch hörte ich von einem gefährlichen Problem,
dass sie seit einiger Zeit haben, aber ich weis nicht, worum es sich dabei
genau handelt. Löst ihr dieses Problem, wären sie sicherlich
sehr dankbar". Die vielen eindringlichen Worte des weisen Mannes,
kaum waren wir im Kloster angekommen, überwältigten uns für
einen kleinen Moment, "die gesamte Leibgarde des Königs - mächtig",
dachte ich. Dann aber überwanden wir den kurzen Schock, das Leben
eines Abenteurers ist hart aber ungerecht und Taten waren notwendig.
Noch am gleichen Tag setzten wir erneut die Segel und hatten 12 Tage Seefahrt
vor uns, denn die Insel der Greifenreiter lag weit hinter der Nippur-Inselgruppe
in der offenen See und die Winde waren ungünstig. Unterwegs gerieten
wir in einen schweren Sturm, der Bainar und Qui' Lana magentechnisch schwer
zu schaffen machte, jedoch bewies Scharta hervorragende Bootsmannqualitäten
und brachte uns spielend durch das schwere Unwetter. Am Mittag des 20.5.704
erreichten wir die Insel und landeten bei einem kleinen Fischerdorf namens
Cudaec an. Der Weg zu den Greifenreitern war einfach zu finden, sagten
die Dorfbewohner, die Berge so hoch gehen wie möglich. Viele Tage
mühseligen Bergwanderns und viele Kletterpartien lagen vor uns, denn
einen richtigen Weg konnten wir kaum ausmachen. Am vierten Tag erspähte
Qui' Lana zwei Greifenreiter. Diese waren sehr kurz angebunden und forderten
uns auf, in ihre Stadt zu kommen, zwei weitere Tage den Berg hinauf. Kurz
nach der Begegnung mit den Greifenreitern kam eine erste steile Wand,
die es mit Hilfe von Seilen zu erklimmen galt. Trotzdem rutschte der gute
Bainar ungeschickt aus und verstauchte sich den Knöchel. Viel Gejaule
und zwei Tage ausruhen waren notwendig. Noch weitere Kletterpartien lagen
vor uns und Qui' Lana, die natürlich absichtlich um unsere schwitzenden
Köpfe flatterte, hatte Glück, dass ich beide Hände zum
Klettern brauchte. Endlich, am 28.5.704 kamen wir in die Stadt der Greifenreiter.
Sie war größer als wir es erwartet hätten, eigentlich
eine ganz normale, belebte mittelgroße Stadt. Ein Hochelf Namens
Dandra empfing uns ausgesprochen freundlich und da die Zeit knapp war,
kamen wir schnell zur Sache. Wir schilderten unser Anliegen und Dandra
das Problem des Elfenclans, ein mächtiger Winddrache namens Nessim,
der auf einer der umliegenden Inseln hauste und in letzter Zeit häufig
die Greifenreitersiedlung angriff. Ein Drache, was für eine gefährliche
Herausforderung, ein wahrer Gegner. Da es aber das Schicksal von Abenteurern
ist, sich in tödliche Gefahr zu begeben und natürlich auch,
weil ein gigantischer Hort auf uns warten dürfte (so lauteten zumindest
alle Drachenlegenden), versprachen wir uns des Problems anzunehmen. Noch
am gleichen Tag schickte Dandra zwei der besten Kuriere Richtung Norden,
das "heilige Wasser" zu holen. Sie würden voraussichtlich
in zwei Monaten wieder zurück sein.
Wir versuchten als erstes den Aufenthaltsort des Drachen in Erfahrung
zu bringen. Im "Zotteligen Greifen", einer guten Kneipe mit
ordentlichem Bier, erfuhren wir nach einiger Fragerei, dass der Drache
irgendwo in südlicher Richtung zu finden sei, wahrscheinlich ungefähr
400-500km Luftlinie entfernt. Ich weis nicht, ob es Qui' Lana und Bainar
genauso ging, aber ich freute mich auf die neue Schiffsreise, denn irgendwie
mochte ich dieses ständige auf und ab der Wellen; nur Platz für
ein richtiges Schmiedefeuer müsste man haben. Völlig kaputt
von der tagelangen Kletterei verbrachten wir die Nacht in der Kneipe,
die auch Zimmer anbot, jedoch waren die Betten viel zu klein. Vor dem
gemütlichen auf und ab waren erstmal wieder einige Tage Kletterei
angesagt. Ohne weitere Knochenbrüche gelangten wir acht Tage später
am 7.6.704 wieder nach Cudaec. Von einer äußerst merkwürdigen
und beeindruckenden Begebenheit am sechsten Tag des Abstieges muss an
dieser Stelle auf jeden Fall noch berichtet werden. Die Tage vorher waren
grau und bedeckt und in den Bergen wehte trotz des Frühlings ein
sehr kühler Wind (selbst Qui' Lana war es zu kühl zum Sprechen).
Aber an diesem sechsten Tag riss der Himmel plötzlich an einer kleinen
Stelle auf und herrliches, warmes Sonnenlicht beschien eine kleine, geschützte
Lichtung. In dem kleinen Fleck strahlend blauen Himmels erschien das Gesicht
eines kräftigen bärtigen Mannes in seinen besten Jahren. Wir
fielen auf die Knie und murmelten Gonnth über unsere Lippen. Die
ganze Situation wirkte berauschend und die Worte Gonnths durchdrangen
uns tief und unvergesslich. Er sprach freundlich und lobte unseren Heldenmut,
dem Drachen entgegen treten zu wollen. Für die uns bevorstehenden
Aufgaben, würde er jedem einen persönlichen Wunsch erfüllen.
Sofort fiel uns eine kleine junge Eiche auf, die in der Mitte der Lichtung
stand und an der genau vier Eicheln hingen. Dankbar nahmen wir dieses
Geschenk an, aßen die Eicheln und noch bevor wir einen Wunsch in
Gedanken formuliert hatten, entschwand das Gesicht, aber die warme Lichtung
blieb noch für eine gewisse Zeit, so dass wir pausierten und uns
mit dem Proviant stärkten. Von dieser Stunde an war Bainar ganz besonders
gewappnet gegen magische Angriffe von Dämonen, Scharta kämpfte
ohne jeden Hauch von Müdigkeit, Qui' Lana sollte in den folgenden
Kämpfen ständig fürchterliche Treffer erzielen und ich
konnte mein Feuerblut-Talent, ohne mich noch darauf konzentrieren zu müssen,
einsetzen.
6. Drachen
haben den Vorteil, dass sie sehr groß sind und eindeutige Spuren
hinterlassen. Nach vier Tagen am 11.6.704 hatten wir die beschriebene
Insel erreicht. Ganz sicher waren wir uns, als Qui' Lana vom Ufer aus
eine große Schneise im Wald entdeckte. Das musste ein Drache gewesen
sein, dachten wir uns. Später wurde uns klar, dass diese Schneise
nicht von einem Drachen angelegt, sondern für ihn angelegt wurde.
Sie zog sich drei Tage lang bis in die Mitte der Insel und endete an einem
gigantischen Steintor, davor eine ebenso gigantische Statue, sicherlich
30m hoch. Wahrscheinlich war die ganze Anlage eine Opferstätte für
den Drachen. Am Morgen des vierten Tages auf dieser seltsamen Insel näherten
wir uns vorsichtig dem Portal. Noch bevor wir das Tor für genauere
Untersuchungen erreichten, sprach plötzlich eine tiefe Stimme zu
uns, sie schien aus dem Nichts und einer anderen Zeit zu stammen - oder
war es etwa die Statue, die zu uns sprach? Die Stimme forderte uns auf,
etwas für den Drachen zu opfern oder gegen ihn zu kämpfen. Hervorragend,
die Statue weis Bescheid, genau das wollten wir und im gleichen Moment
hörten wir leise nur noch: "Dann beweißt Euren Mut und
erweißt Euch würdig für den ehrenwerten Drachen"!
Wir hörten einen kleinen Ruck über unseren Köpfen und die
"kleine", menschengroße Statue, die auf der Schulter der
großen saß, sprang zu uns hinab und schwang elegant ihr steinernes
Schwert. Ein harter Kampf entbrannte und die belebte Statue setzte uns
mächtig zu, aber gemeinsam konnten wir sie bezwingen und betraten
die gigantischen Gänge und Hallen der Drachenbehausung.
Die Dimensionen der Gänge und Hallen beeindruckten uns sehr, selbst
die Zwerge des Kreuzes, die in den Legenden als die begnadetesten Steinmetze
galten, wären vor Neid erblasst. Die Gänge, oder besser Tunnel
waren glatt poliert und glänzten in dem magischen Licht, was aus
der Decke strömte. Feine Muster, die wie Bänder die Gänge
durchzogen, weiteten sich in den riesigen Hallen zu großflächigen
Bildern von Kriegen, Drachen und Menschen, die Opfer brachten. Inmitten
der bis dahin größten Halle, sahen wir plötzlich einen
Drachen, oder war es nur eine Statue - weder noch, es war das Skelett
eines riesigen Drachens, dass uns auch sofort ansprach, die Stimme war
bestimmt, aber überraschender Weise sehr freundlich: "Endlich
wieder wagemutige Helden in diesen trostlosen Hallen, Nokron grüßt
Euch! Gut, kommen wir gleich zu eurem Anliegen, aber Nokron muss Euch
warnen, denn ihr wäret nicht die ersten, die an dieser Aufgabe scheitern
und als Frühstück des jungen und ungestümen Drachens Nessim
enden. Die Prüfung des Körpers habt ihr gemeistert, jetzt wird
Nokron Euch der Prüfung des Geistes unterziehen, seit Ihr bereit?"
Eine beklemmende Stille breitete sich nach seiner Ansprache in dem Gewölbe
aus und wie gelähmt nickten wir. Er stellte uns ein kniffliges Zahlenrätsel,
mein Spezialgebiet, denn es war das Lieblingsspiel meines Großvaters
Albaron, mir ständig solche Rätsel zu stellen und mit seinen
weit mehr als tausend Jahren hatte er eine Menge davon aufgeschnappt.
Er sagte immer, dass "hält den Geist flüssig" - Gonnth
sei seiner toten Seele gnädig! Es war in der Tat ein sehr schwieriges
Rätsel und während die anderen sich noch die Köpfe zerbrachen,
platzte ich mit der vermeintlichen Lösung heraus. Der Drache schaute
mich bedächtig aus seinen leeren Augenhöhlen an und ich begann
an meiner Lösung mehr und mehr zu zweifeln. "Nun gut" sagte
er dann, "damit habt ihr eventuell Euer Leben verwirkt, denn der
Kampf, der Euch jetzt bevorsteht, wird hart werden - zumindest die Prüfung
des Geistes habt ihr bestanden!"
Der Drache schien zu lächeln, soweit man das anhand seiner blanken
Kieferknochen einschätzen konnte und Erleichterung kam über
uns. "Nun denn, Nokron wünscht Euch alles Gute und bietet Euch
an, Euer Schicksal in die eine oder andere Richtung zu beeinflussen!".
Mit überraschender Eleganz hob er seine rechte Knochenpranke und
hielt ein silbernes Tablett, auf dem sich ein uraltes Kartenspiel befand.
"Karten des Schicksals", murmelten Bainar und Scharta, die es
schon früher einmal kennen gelernt hatten. Die Legenden sagen, diese
äußerst seltenen Kartenspiele wurden in den prächtigen
alten Tagen von mächtigen Magiern zur Unterhaltung geschaffen, oder
sogar von den Göttern selber, um die Sterblichen auf die Probe zu
stellen. Scharta und Bainar warnten uns vor den möglichen Gefahren,
wenn auch viele große Chancen darin lagen. Wir einigten uns darauf,
erst den Kampf zu bestehen und dann eventuell unser Schicksal herauszufordern.
So verließen wir vorerst Nokrons Halle und machten uns durch ein
Portal auf den Weg in die anschließende, die noch um ein vielfaches
größer war. Nachdem alle möglichen Vorbereitungen getroffen
und geschluckt worden waren, schritten wir in das gigantische Gewölbe
und der große glitzernde Haufen am anderen Ende der Halle lies unsere
Abenteurerherzen höher schlagen und bestätigte die Legenden,
als der Drache mit seinem Odem auf uns niederfuhr. Mich hat es als erstes
erwischt, denn der Drache konzentrierte seinen Odem auf mich. Danach fiel
Scharta und kurze Zeit später Qui' Lana. Bainar aber blieb standhaft
und konnte nach einem mörderischen Kampf den Drachen mit seiner Magie
bezwingen. Nokron half uns die unterschiedliche Macht der insgesamt 42
magischen Gegenstände, die der Winddrache gehortet hatte, einzuordnen.
Und er half mir, der ich schon das gleißende Licht der ewigen Kampfgründe
sah, indirekt mit den angebotenen Karten wieder das lebendige Licht der
Sonne zu erblicken. Qui' Lana war es und ich werde dieser mutigen kleinen
Frau auf immer dankbar sein, die mir das Leben schenkte. Die "Karten
des Schicksals" boten ihr an, das Schicksal einmal nach ihren Wünschen
zu verändern, und sie entschied sich dafür, mich wieder unter
den Lebendigen wandeln zu lassen. Beeindruckt von der Macht der Karten
nahmen wir auch das zweite Angebot des Drachen an, dass er auf einem Tablett
in der anderen Pranke hielt, die "Würfel des Schicksals"
und einiges sollte sich für uns ändern, an diesem denkwürdigen
Tag, dem 15.6.704, in der riesigen Höhle eines ehemaligen Drachen,
wichtigere und unwichtigere Dinge - davon später mehr.
Da die Greifenreiter frühestens Ende Juli mit dem lebensrettenden
Elixier zurückkehren würden, beschlossen wir, einige Zeit auf
der Insel zu verbringen. Daraus wurden insgesamt fast vier Wochen, in
denen wir den gigantischen Komplex erforschten, uns mit einigen gefundenen
Gegenständen näher beschäftigten und die riesigen Geldmengen
auf die fast überladene Schaluppe luden. Nicht vergessen möchte
ich den allergrößten Schatz, der uns zu Teil wurde, die Schuppen
des Drachen - äußerst schwierig zu bearbeiten, aber Material
aus dem undurchdringliche Panzerungen herzustellen waren. In der Zeit
unterhielten wir uns ausgiebig mit Nokron. Er schien erfreut über
die Gesellschaft und erzählte uns neben anderen Dingen viele interessante
Legenden; er schien auf fast jedem Gebiet sehr belehrt und gab bereitwillig
Auskunft. Zudem war er in der Lage, den durch den Drachenodem beschädigten
Speer Qui' Lanas, mit einer unbezahlbaren Spitze aus dem wertvollsten
aller Metalle, aus Mithril, zu reparieren. Dieser Speer wurde aus dem
letzten Ast des Malornbaumes ihres Clans gefertigt, der Baum selber wurde
wie der Clan durch einen mächtigen Dämonen zerstört. Die
Legende sagt, dass wenn dieser Dämon durch den Speer fällt,
wird an der Stelle, wo der Speer in den Boden gerammt wird ein neuer Malornbaum
wachsen und der Clan in ungeahnter Blüte um diesen Baum herum neu
entstehen. Kurz vor unserer Abreise am Morgen des 13.7.704 erzählte
uns Nokron noch, dass er sich äußerst dankbar zeigen würde,
wenn wir ihm "Fleisch" für seinen skelettierten Körper
beschaffen würden. Welcher Art dieses "Fleisch" sein könnte,
konnte oder wollte er aber nicht sagen.
7. Die Rettung
des Königs schien nicht mehr fern, denn aufgrund günstiger Winde
und da wir den Weg auf der Insel ein wenig kannten erreichten wir schon
am Abend des 21.7.704 die Stadt der Greifenreiter. Die Nachricht vom Tod
des Drachens wurde frenetisch aufgenommen und während der kommenden
Feierlichkeiten wurden wir als die wahren Helden verehrt, die wir ja erlicht
gesagt auch sind. Dieses herrliche Gefühl kosteten wir bis zum Eintreffen
der Greifenreiter am Mittag des 28.7.704 ausgiebig aus, denn nicht alle
Auftraggeber wissen unseren Heldenmut so zu schätzen und wir wären
alle gerne etwas länger geblieben, auch wenn leider keinerlei Halbogerfrauen
in der Nähe waren (meine Ausstrahlung hatte seit dem Kampf mit dem
Drachen doch erheblich zugenommen).
Noch berauscht von den überschwänglichen Feierlichkeiten verabschiedeten
wir uns und brachen in großer Eile Richtung Aynua auf. Aufgrund
des starken gleichmäßigen Windes aus südlicher Richtung
konnte Scharta die alte Schaluppe zu ungeahnter Geschwindigkeit bringen,
auch wenn die Segel und Spanten zum Teil bedrohlich knarrten; es war ein
herrliches Gefühl am Bug zu stehen und den Wind sich um die Ohren
wehen zu lassen. Schon am frühen Morgen des 28.7.704 konnten wir
am Horizont den Küstenstreifen in der Nähe Aynuas erblicken,
die Götter schienen uns besonders zugetan, dachten wir, denn plötzlich
brodelte das Wasser neben dem Schiff bedrohlich - eine gigantische Riesenkrake
griff uns unvermittelt an! Ihre gigantischen Fangarme griffen nach uns
und die dunklen Tiefen des Meeres drohten, aber ein Arm nach dem anderen
konnten wir abschlagen und die Krake versank - wir hatten sie besiegt!.
Scharta aber lag auf den Schiffsplanken und das tödliche Sekret der
Krake hatte seinen Körper vergiftet. Gonnth sei dank, hatten wir
das "heilige Wasser" von Sed Squizz bei uns und schon wenige
Tropfen davon vertrieben das Gift aus Schartas Körper. Schnell war
er wieder auf den Beinen, und man sollte es nicht für möglich
halten, freiwillig folgte er der toten Krake in die unergründlichen
Tiefen des Meeres. Diese Tyn Fehir sind schon ein seltsames Volk, aber
hervorragende Schwimmer und Taucher. Die Minuten vergingen und als wir
uns langsam ernsthafte Sorgen über den Verbleib unseres Freundes
machten, tauchte er plötzlich aus den dunklen Untiefen des Wassers
auf und hatte die Giftdrüse der Krake in der Hand, die er aus dem
Körper des langsam aber sicher immer tiefer sinkenden Körpers
heraus geschnitten hatte.
Wir landeten an der gleichen Stelle südöstlich von Aynua an,
wie bei unserem letzten Besuch Tan' Y' Gans. Dieser war überfroh,
eilte dann aber mit der wertvollen Ampulle zum Palast des Königs.
Schon nach relativ kurzer Zeit erhielten wir die erlösende Nachricht,
dass "heilige Wasser" hatte gewirkt und der König war wieder
bei vollem Bewusstsein. Zudem erhielten wir eine Einladung in den Palast,
in sechs Stunden am Abend dieses Tages.
Wir wollten die Zeit nutzen. Scharta und Bainar brachten das geliehene
Schiff zurück und Qui' Lana und ich nahmen den Landweg in das nahe
Aynua, um möglichst lange unbekannt zu bleiben. Unsere Schätze
wurden vorerst in das Kloster gebracht und dort sicher verwahrt. In Aynua
begibt sich Scharta sofort zum bekannten Schiffsbauer Rash und kann ihn
überreden für den Preis von stattlichen 500 Goldstücken
auf schnellstem Wege ein von Scharta konzipiertes Boot zu bauen. Rash
verspricht in ungefähr 3 Monaten fertig zu sein, denn ein so schnelles
und elegantes Schiff zu bauen, reizte ihn ungemein und er machte sich
sofort an die Arbeit. Während sich Qui' Lana auf die Suche nach Tränken
und Kräutern machte, suchte ich die Bibliothek auf, denn die Frage
nach dem "Fleisch" für den werten Nokron interessierte
mich doch ungemein. Ich fand heraus, dass das sogenannte "Feenholz"
für den Zweck geeignet sein könnte. Man findet es auf Lichtungen,
die von magischen Wesen bewohnt werden.
Nacheinander trafen wir im Palast des Königs ein und wurden schon
erwartet. Der noch sehr bleiche König, weißer als der jungfräuliche
Schnee auf den unberührten Gipfeln Gols, begrüßte uns.
Bei ihm waren Tan' Y' Gan und seine, selbst für Halbogeraugen, bildschöne
Tochter. In dem folgenden Gespräch wurden alle Informationen ausgetauscht,
obwohl seit unserem letzten Aufenthalt in Aynua wenig neues passiert war.
Wir beschlossen, dass über die Kontakte des Könighauses in der
Stadt unauffällig die Information gestreut werden sollte, dass die
Giftdrüse einer Krake von einem Halboger und einer Ceyth Qiuba zum
Verkauf angeboten wird. Kontaktmann ist der Wirt der Drachenklaue, der
gute Zwerg Andraa (der von den Mittelsmännern des Königs natürlich
eine angemessene Vermittlungsgebühr erhält). Auf diese Weise
hofften wir, Anan Khan, der an guten Giften immer interessiert sein dürfte,
aus der Reserve zu locken. Vor dem Verlassen des Palastes versprach uns
der äußerst dankbare Timal eine königliche Belohnung.
Dankend nahmen wir an, aber erst nach Beendigung unseres Auftrages, also
der Beseitigung Anan Khans wollten wir auf dieses Geschenk des Königs
zurückkommen.
Qui' Lana hatte vor dem Besuch des Königs einen hervorragenden Kräuterhändler
ausgemacht, den guten Miosch Monn und einen talentierten Alchimisten mit
Namen Selekyl Sonnenglanz. Entsprechend seinem Namen empfingen uns beide
mit glänzenden Augen, auch noch zu dieser späten Abendstunde.
Sie hörten ihre Kasse schon klingeln, wie es nur nach Besuchen lebensmüder
Abenteurer der Fall sein konnte. Entsprechend unseres neuen Reichtums
kauften wir alles ein, was gut und teuer ist. Leider zeigte der gute Bainar
an dieser Stelle, dass er sich leider gerne mal unglücklich verhält.
Aus heiterem Himmel kroch eine der widerlichsten, typisch zwergischen
Eigentümlichkeiten aus seinem gedrungenen Körper heraus, der
Geiz und die Gier - oder lag es einfach nur daran, dass Geisterbeschwörer
irgendwann zwangsläufig der Größenwahn packt und sie so
den Hang zur Realität verlieren - Gonnth wird den wahren Grund kennen!
Wie auch immer, plötzlich zickte Bainar ungemein rum und weigerte
sich beharrlich, sich an der Gemeinschaftskasse, zum Beispiel für
den Einkauf von Tränken, zu beteiligen. Er behauptete wie von Sinnen,
wahrscheinlich war er von einem Dämon des Schwachsinns besessen,
anders ist das Ganze kaum zu erklären, dass er weder Tränke
noch den Schutz der ersten Reihe bräuchte, die natürlich ganz
besonders viele und meist auch teure Tränke benötigten. Nach
langer Diskussion und wenig Sinn, der Alchimist dachte in der Zwischenzeit
mit Sicherheit, "Jungs, gebt mir schnell euer Geld, denn viele Überlebenschancen
im harten Abenteurergeschäft gebe ich euch nicht mehr" (und
er war ein weiser und vorrausschauender Mann), zahlten wir die Tränke
ohne das Unglück. Stillschweigend war an diesem Abend Scharta, Qui'
Lana und mir klar: Kein Geld bedeutet keine Tränke und keinerlei
Schutz mehr für unsern kleinen übermütigen Freund und hätten
wir nicht schon soviel durchgemacht, hätten wir ihm geraten in sein
Kaff in den Sümpfen zurückzukehren, wo solche Ansichten möglicherweise
üblich sind.
Am nächsten Morgen lies die strahlende Sonne die Welt schon wieder
angenehmer aussehen und ich freute mich auf den Besuch beim Meister Wromgart.
Er lauschte gespannt den Berichten der zurückliegenden Wochen (wobei
ich die Verbindung zu Anan Khan und dessen Namen nicht erwähnte)
und wurde besonders hellhörig, als ich auf die Drachenschuppen zu
sprechen kam. Er bot mir an, da er die dafür nötige magische
Schmiede besaß, für eine Bezahlung in Drachenschuppen, mir
eine schwere Rüstung und ein Turmschild aus diesen zu fertigen. Dazu
müsste er aber noch einige Erkundigungen einholen, da er selber wenig
Erfahrung mit solchem Material besaß, somit konnte er über
die Dauer bis zur Fertigstellung wenig Auskünfte geben. Auf der einen
Seite war ich froh, da die Aussicht auf eine königliche Rüstung
bestand, gleichzeitig etwas enttäuscht, dass mich Wromgart nicht
selber an die magische Schmiede lassen wollte, was ich aber natürlich
gut verstehen konnte. So begann ich in einer der normalen Schmieden seiner
großen Werkstatt einen Lederpanzer für meine Lebensretterin
Qui' Lana anzufertigen, der seines Gleichen suchte.
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