Chemlon, irgendwo
im Lande Norgroth des Jahres 702/3
24. Dezember
Auch der Stamm der Halborks bereitet das Fest der Liebe vor. Schon wieder
so ein Zechgelage heute. Val`Kiisar, so glaube ich, setzt langsam einen
Speckbauch an. Bei seiner Größe sollte er sich von den Getränken
besser fernhalten. Heute haben wir das Boot "Aufbruch" mit Vorräten
beladen. Allerlei Zeugs kam hinzu, denn Seile mussten wir noch auftreiben.
Die Wulk sind nicht mehr so freigiebig wie zuvor. Ich denke, wir liegen
denen schon zu lange auf der Tasche. Die haben wohl die Faxen dicke. Jetzt
verlangen sie schon für Kleinigkeiten Tauschwaren im Gegenzug. Aber
einen Gerber überzeugte ich dann letztlich doch noch, mir eine lederne,
wasserabweisende Kluft zu schneidern. Wenigstens kann man sich aber noch
auf deren Kosten vollaufen lassen.
25. Dezember
Kha`na Wa traf gestern die Großfamilie seiner Dorfschönheit.
Die Heirat mit dieser Provinzposse orkischen Blutes ist ja im Prinzip
lächerlich gewesen. Aber erlaubt ist, was Spaß macht und dem
bulligen Hünen bringt dieses Weib offensichtlich großes Vergnügen.
So sei es also. Ich war der Trauzeuge. Und aus Waan-Silberlingen schuf
der Schmied des Dorfes die Ehe-Ringe. Gleich geht dann endlich die Reise
los. Der Aufbruch mit dem Boot namens "Aufbruch".
27. Dezember
Beim Stapellauf der "Aufbruch" befürchteten wir, dass der
Seelenverkäufer schnurstracks in den Tiefen des Ozeans versinkt.
Der plumpe Kahn schrammt sogleich an einem Felsen entlang und erst nachdem
Thal Rhasank seine Künste beim Lenken des Schiffes unter Beweis gestellt
hatte, trauten wir dem Braten ein wenig. Dem Kha`na Wa bin ich noch etwas
schmollig, denn er warf mich beim Stapellauf einmal ins Wasser. Ich glaube
ich habe einen Schnupfen bekommen. Und dass der ständig mit dieser
Braut unter Deck verschwindet, dass ist auch nicht so in Ordnung. Er sollte
sie besser ihre Aufgaben erledigen lassen. Einmal hat sie sogar ein Essen
anbrennen lassen, da er sie in der Kombüse "überfiel"...
29. Dezember
Keine Zeit zum Schreiben. Wir hatten vor zwei Tagen die Küste in
Sichtweite bekommen. Orcana saß im Krähennest und rief uns
ein lautes "Land in Sicht" zu. Was wir dann allerdings erspähen
konnten, war wenig aufbauend. Die Küstenlinie ist gesäumt von
einer rund dreißig Meter hohen Steilwand. Das Land, so konnte Orcana
nach einem kurzen Ausflug berichten, ist eine sanfthügelige Tundraebene.
Nur fahles Licht beleuchtet eine nasskalte Landschaft, die uns wenig Lust
auf ein Anlanden bringen konnte. Wir beschlossen also weiter entlang der
Küste zu segeln, immer in südliche Richtung. Val schreit grade
etwas von "Alarm!". Muss mal sehen...
30. Dezember
Ich habe Heldentaten
vollbracht! Ohne meine magischen Kräfte wären wir nun Butter
bei die Fische. Besonders der Kha`na Wa sollte mir nun den Respekt zollen,
der mir gebührt. Habe seinen feuchten Hintern davor bewahren können,
zu Fischfutter zermahlen zu werden. Mir schwante schon, dass Wasser Gefahren
in sich birgt. Ein mir unheimliches Element, welches ich nie wieder gegen
festen Boden unter meinen Füßen eintauschen will. Ich gelobe
feierlich: Wasser mag ich nicht! Ich will erklären, wie wir dem tödlichen
Meeresgrab entrinnen konnten. Val hatte Alarm geschlagen, da er monströse
Fische auf die "Aufbruch" zugleiten sah. Sechse vier bis fünf
Meter lange Wesen furchten den maritimen Spiegel, stoben auf uns als das
Ziel zu. Ab und an hoben sie ihren gewaltigen Kopf aus dem Wasser und
wir sahen messerscharfe Zähne blitzen und ein Art Horn auf ihrem
Haupte. Ich zauderte nicht, keine Sekunde verplemperte ich mit Nachdenken
und sprach mein "Verdorren" auf eines der Tiere. Ich hatte ja
noch einiges wieder gut zu tun, nachdem ich am Tag von "Moriaters
Sünde" so versagt hatte. Aber jetzt traf mein Spruch die Flosse
des Tieres, welches augenblicklich verlangsamte und ins Trudeln geriet.
Thal setzte einen Blattschuss und traf ebenfalls, während Val und
ich schon drauf und dran waren den Mast empor zu levitieren. Die ersten
drei hornigen Nashornschnauzen hämmerte da aber schon gegen die Bordwand
und ließen das Boot erzittern. Allzu leichtfertig hatte sich Kha`na
Wa an den Rand der Reling bewegt, um auf die dort anbrandenden Viecher
zu prügeln. Die Monster-Haie schnappten dort aber aus dem Wasser
schießend nach ihm und rissen ihn ins Wasser! Thal bemühte
sich das Boot an die rund 100 Meter entfernte Küste zu steuern und
Orcana schoss kleine Pfeile gegen die Fische. Ein weiterer Stoss der das
Schiff rammenden Monster lässt erste Planken bersten und Wasser in
das Boot strömen. Val levitierte uns wieder auf das Deck, wir müssten
nun Kha aus dem kalten Nass helfen, damit es nicht sein nasses Grab...
Ich will an dieser
Stelle nicht verhehlen, dass es mir in der Rückbetrachtung viel Vergnügen
bereitet, all dies zu berichten. Konnte ich doch mit weiteren Zaubereien
und der Rettung von Kha, an der freilich mein Bruder Val gleichen Anteil
hatte, einen Teil der beim Kampf gegen den Dämon auf mich geladenen
Schuld tilgen. Kurz: wir besiegten die Haifische und zwei noch übrige
schlugen wir in die Flucht. Mein Spruch "Verdorren" erweist
sich zunehmend als mächtige Formel.
Das Boot steuerte
Thal schwer beschädigt und wasserleck an die Küste, an der wir
uns nun ein erzwungenes Nachtlager einrichten. Ein kleines Feuerchen soll
uns trocknen helfen. Die Speisen werden uns die Kräfte wiedergeben
und der von den Monster-Haifischen lädierte Kha hat Zeit sich die
Wunden zu lecken. Schön , dass ihm die Familie seines Weibes einige
Buddeln von dem scharfen Gesöff mitgab. Wir trinken davon und die
wohlige Hitze dieses Rachenputzers macht uns heiterer. Seine Frau "Grokette"
müht sich sorgsam um den verwundeten Kerl. Mir werden beim Schreiben
schon die Augenlider bleiern schwer und Schlaf soll mir nun Heimstatt
sein. Doch... Was?
31. Dezember
Eine dreiköpfige
Chimäre hatte uns an unserer Rastatt zu überfallen versucht.
Nachdem wir die Bestie in kurzem Kampf besiegt hatten, schlugen wir ihr
die Köpfe ab. Zwei davon nahm ich in meinen Besitz, um sie später
einmal gewinnbringend tauschen oder verkaufen zu können. Val brüstete
sich ein wenig damit, dass er dem Wesen den letzten Rest gegeben hatte.
Aufschneider, sach ich mal! Orcana durchforstete dann die nahegelegene
Höhle der Chimäre, doch leider waren dort lediglich sechs Silberstücke
zu finden.
Heute wurden wir uns
dann auch endlich darüber einig, wohin uns unsere Füße
tragen mögen. Val insistierte auf eine Reise gen Jasch' Gorn, der
alten Heimstatt unseres Dunkelelfen-Clans. Allein der Weg, der einzuschlagen
sei, um das Areal am nordwestlichen Fuße des Kreuzgebirges zu finden,
war schwer mit meinem Bruderherz zu diskutieren. Er bestand auf Richtungsangaben,
denen er sich wohl noch aus Kindheitstagen zu erinnern glaubte. Aber er
schwadronierte recht verwirrt ob des richtigen Weges und es mag einer
Eingebung des Himmels zu danken sein, dass wir letztlich übereinkamen,
dass nun westwärts zu gehen sei. Ein weiter Weg, gewiss voller Gefahren
liegt nun vor uns. Aber an die Stätte der Kindheit zurückzukehren,
war nun auch zu meinem größten Wunsch geworden. Tal' Sea, der
mächtige Ziehvater von Val und mir, vielleicht hatte er dort trotz
unserer Entführung in die sklavische Gefangenschaft überdauern
können. Ich glaube an die Erfüllung des Schicksals und ich will
einfach daran glauben, dass der alte Tal' Sea mit all seinem Wissen und
all seiner Magie den Orks von Waan ein Schnippchen hat schlagen können.
Wir werden es wissen und wenn wir die Heimstatt der Dunkelelfen von Jasch'
Gorn gefunden haben, dann werde ich mich vielleicht entsinnen können,
wo das geheime Versteck meines Ziehvaters zu finden ist. Er bewahrte Bücher
und Schriften abseits der Hütten in einer kleinen Höhle auf.
"Nie, mein Sohn, stecke deine Nase in Angelegenheiten, die dir die
Nase kosten können", sagte er mir einmal mahnend als er mich
beim heimlichen Lesen in diesen Büchern erwischte. Jetzt da sein
Bild aus den längst vernebelten Tälern der Vergangenheit aufsteigt,
spüre ich großes Verlangen, den Ort am Gebirge zu suchen. Nach
unseren Berechnungen wären rund 70 Tagesmärsche erforderlich,
um dorthin zu gelangen.
7. Januar des Jahres
703
Den Jahreswechsel begingen wir ohne großes Brimborium. Wir hatten
ein Ziel vor Augen und übten uns in Zurückhaltung. Die Landschaft
ist in kümmerlichem Kleid eines ewigen Winters gekleidet. Eine Gegend,
die einen Normalsterblichen durchaus in tiefste Depressionen zu stürzen
vermag. Ich hingegen empfinde das Zwielicht als durchaus interessant.
Wenn die Eiseskälte einem nur nicht so die Nase tropfen und die Ohren
rot werden ließe! Kha galoppelt derweil verliebt auf seinem Celeborn
an unserer Seite. Ich sollte dem Paar ein Liebesgedicht schreiben und
sie damit verspotten....
10. Januar
Ehre wem Ehre gebührt. Ich preise den allmächtigen Gonnth und
die Verschlagenheit Shuzuks. Am gestrigen Tage überraschte uns ein
gewaltiger Syhaak, ein Raubtier mit gefährlichen Krallen und scharfen
Schneidezähnen. Orcana erspähte das Tier als es sich bereits
zum Sprung ansetzend auf uns stürzen wollte. Kha`na Wa musste dann
zusehen wie der Syhaak seine Frau Grokette mit einem Prankenhieb erledigte.
Das wilde Ding fauchte uns hungrig an und lederte sogar Thal sofort um.
Val und ich levitierten sofort in sichere Höhe. Thal nahmen wir mit
in die Luft. Der Versuch Vals, dem angeschlagenen Bogenschützen eine
Wunde zu schließen, misslang gehörig. Der kleinere Teil der
"Gebrüder Tod" hatte wieder zugeschlagen und die Wunde
dabei sogar aus Versehen enorm vergrößert...
Kha`na Wa ritt derweil
blind vor Wut einen Sturmangriff mit Senk-, Spreiz- und Schlageinlage,
stürzt aber von seinem Gaul, schwingt sich wieder auf Celeborn, wird
abermals getroffen und fällt erneut auf den Hosenboden. Ob der eigenen
Ungeschicklichkeit und dem Tod seines Weibes arg vergrätzt streckte
er dann aber das Raubtier nieder. Selbstredend verpasste ich dem Syhaak
zuvor große Schäden mit dem meisterlichen Zauberspruch "Verdorren"
und Val und Orcana trugen ebenfalls zu dessen Tod bei.
Wirklich Freude kam
jedoch nicht bei Kha`na Wa auf, denn immerhin war sein Liebstes grade
gestorben. Er schrie in den Himmel, er schrie seine Gottheit Gonnth an.
"Mache es ungeschehen! Und ich werde, so gelobe ich, wenn sie denn
wieder bei mir ist, ich werde dann meine in ihr wachsende Leibesfrucht
in deinem Sinne erziehen!" Er weinte bittere Tränen über
dem Leib der Toten, doch der Gott erhörte sie nicht. Val überzeugte
mich in ebenfalls beschwörender Weise, dass ich Hilfe zu leisten
habe, sofern es mir in meiner Macht möglich sei. Nun gut, dachte
ich mir also, es ist zwar die wertvollen Kräuter nicht wert, die
wir da drauf und dran waren zu verschwenden, aber wenn der kleinere Teil
der "Gebrüder Tod" mir diese Bitte stellt und es den Hünen
glücklicher macht...
Ich verabreichte also
einen kleinen Trank vom Blutmoos, den wir auf einem kleinen Feuerchen
zubreitet hatten. Kha`na Was Dankbarkeit sollte nun gewiss ewig dauern.
Ach! Was für eine heillose Verschwendung es doch war! Zu meiner eigenen
Belohnung nahm ich das wertvolle Horn des Syhaak an mich, welches auf
den Märkten des Südens tausende von Silberlingen einbringen
wird. Ein Schelm, wer das Böse dabei denkt.
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