Chemlon, irgendwo im Lande Norgroth des Jahres 702.

7. Dezember, abends
Wir üben uns im Weben von magischen Fäden. So ganz und gar habe ich es noch nicht durchschaut, aber es lässt sich wohl auf astraler Ebene eine Verbindung zu den Gegenständen knüpfen. Der Effekt ist zuweilen, so berichtete mir Narbeek, eine reichlich verblüffende Stärkung eines Talents. Jedenfalls erfuhr ich am eigenen Leibe dies beim Weben zweier Fäden zum kleinen Schamanen-Maskottchen. Bruder Val`Kiisar und Kha`na Wa erzählten, dass sie ähnliches mit den Amuletten erfuhren, die wir in den göttlichen Grotten fanden. Morgen werden Thal Rhasank und ich dies auch beginnen, denn es erscheint uns überaus sinnreich.
Haben grade einen kleinen, gebratenen Hasen verputzt. Gesellig sind sie ja, diese Halborks vom Stamme der Wulk, doch kulinarische Gaumenfreuden sind kaum zu erwarten. Hätten sie bloß die Innereien zuvor entfernt!

14. Dezember
Als Thal Rhasank nun heute sein Fadenweben zum Abschluss brachte, da durchströmte uns allesamt ein wohlig warmes Kribbeln. Ein durchweg angenehmes Gefühl verband die Gruppe von Abenteurern, ein Zusammengehörigkeitsgefühl wie ich es noch nie in all den Jahren von geteilter Freud und in der Sklaverei durchlittenem Leid verspürte. Wir haben beschlossen, weitere Fäden zu den Amuletten zu weben. Die Umstände, wie wir in deren Besitz gelangten und scheinbar gottgeküsst durch die Gefahren stolperten, lässt die Annahme gewisser werden, dass wir eine heldenhafte Geschichte im Buche des Schicksals zu schreiben haben.

16. Dezember
Meine voreiligen Worte sollen mir im Halse stecken bleiben. Ich richtete großes Unheil an und hätte dabei meinem Bruder Val die richtende Hand eines Dämons werden können. Die Stimme in meinem Kopfe, ich dachte ich könnte sie überlisten. Weit gefehlt, sage ich nun und bin erfüllt von Scham ob meiner Tat. Aber nicht nur mein Leben, es schmerzen die Wunden noch, war in großer Gefahr. Der Dämon hätte uns beinahe allesamt, nun ja, auch dank meiner unfreiwilligen Hilfe, den Gar aus gemacht. Der Reihe nach will ich von einem Tag berichten, den ich künftig nur noch "Moriaters Sünde" nennen werde.

Am Morgen, kurz nach einem üppigen Frühstück, hörten wir laute Schreie vom Strandabschnitt an dem unser Boot von den Wulk-Orks zusammengezimmert wird. Ohne lange im Schrecken zu verharren, sprangen Kha`na Wa, Thal Rhasank und Val`Kiisar auf, dem Orte des Geschehens entgegen zu eilen. Mein untrüglicher Instinkt für Gefahren ließ mich zu dem Entschluss gelangen, dass ich zunächst von Zauberei Gebrauch machen sollte. Also erschuf ich meinen Geisterwolf und folgte sodann meinen Gefährten. Als ich in Sichtreichweite kam, konnte ich eine auf dem Boot aufsteigende Rauchsäule erspähen. Meine Freunde hatten derweil einen satten Vorsprung, nur meinen schwächelnden Bruder Val holte ich ein. Thal rühmte sich später damit übergebührlich, dass er den sich komplett verrückt gebärdenden Halb-Ork mit einem Präzisionsschuss erschossen hatte. Denn auf dem nahezu fertigen Boot, so erzählte man mir, hatte ein Arbeiter plötzlich mit einer Axt wild um sich geschlagen, einige seiner Freunde blutig niedergestreckt und einen kleinen Brand entfacht. Die anderen Wulks hatten ihn daraufhin gestellt und eingekreist, um ihn in Schach zu halten. Doch erst der tödliche Pfleil erlöste den besessenen Wulk von seinem grauenhaften Schicksal. Wie wir jetzt wissen, so hatte ein Dämon der Schwerter vom armen Geschöpf Besitz ergriffen. Im Moment seines Todes aber, jetzt war ich nah genug um nun aus eigenem Sehen zu berichten, vibrierte die Luft um ihn herum, wirbelte die Luft sich verdunkelnd in Kreisen... Erst schälte sich aus dieser Verwerfung zwischen den Ebenen ein Bein und ein Arm heraus, aber zu meinem Schrecken folgte das bösartigste Wesen, dass ich je sah und spürte gleichfalls. Der dort sich manifestierende Dämon trug ein mächtiges Schwert auf dem Rücken. Kha`na Wa, der am schnellsten zum Boot gekommen war, stand nun direkt neben dem Wesen aus den Tiefen des Astralraums. Val und ich sahen uns entsetzt an und nahmen - um die Bedrohung wissend oder zumindest eine Ahnung verspürend - eine Handvoll stärkender Kräuter, Kha`na Wa aber hieb gleich auf das schreckliche Wesen ein. Nie zuvor sah ich den She`Daan-Hünen auf so schlagfertige Weise gekontert. Zwar hatte er den Dämon getroffen, doch offenbar nur leidlich oder gar nicht dabei verletzt. Das Schreckenswesen hingegen schlug Kha`na Wa förmlich mit einem Treffer von seinem Reittier Celeborn. Sofort sprach ich meinen mächtigsten Zauberspruch, den Spruch der das Verdorren eines Ziels hervorruft, scheiterte aber wohl wegen meiner großen Aufgeregtheit beim Zustandebringen der nötigen Formel. Dann widerfuhr mir Grässliches: Eine unbeschreibliche Stimme manifestierte sich in meinem Denken. "Hallo mein Freund - das war wohl keine gute Idee", summte es in meinem Kopf, gefolgt von einem diabolischen Hohngelächter. Wieder hörte ich dann die Stimme des nun sich auf uns rasend schnell zugbewegenden Dämons: "Nun, wenn ich dich Wicht nicht sofort erledigen soll, dann spreche diesen Hokuspokus auf die kümmerliche Gestalt neben dir..."

Nun, ich gestehe, dass die Stimme in meinem Denken übermächtig war. Dennoch hätte ich ihr widerstehen müssen. Da ich aber dachte, mir gelänge es vielleicht, den Dämon hinterlistig auszutricksen, willigte ich ein, meinen Bruder Val "verdorren" zu lassen. Ich ging davon aus, dass der Zauber bei wiederholt schlechtem Gemurmel der Formel fehlschlagen müsse und ich so Zeit gewonnen hätte, eine andere Angriffsstrategie zu entwerfen. Nun denn, meine Worte mögen es bereits verraten haben, die Wucht des Zaubers traf Val. Allerdings - den Göttern sei Dank - verdorrten seine Gliedmaßen nicht.

Mich verschonend kloppte der Dämon sogleich Thal Rhasank von den Beinen. Val hatte sich derweil in die Luft gehoben und schwebte einige Meter über dem Kampfgeschehen. Die Stimme sprach erneut zu mir: "Nun denn, solltest du den Kümmerling jetzt nicht töten können, so nehme ich mir dein Leben zum Ausgleich..." Als ob ich die Wahl gehabt hätte! Meinem Bruder sollte ich das Licht des Lebens endgültig verdunkeln. Nein, lieber wollte ich mich selbst auf einem Totenacker gebettet wissen! Im Moment dieses Entschlusses, brutzelte es heiß in meinem Gehirn. Die mentale Kraft des Dämons, der mein Denken überwachte, verletzte mich schwer. Nun war das Wesen direkt vor mir und metzelte meinen Geisterwolf zu Nebelschwaben und schickte mich an den Abgrund zur ewigen Finsternis. Den anderen muss es dann - sie erzählten es mir, doch wegen der Schwere meiner Verlezungen konnte ich keinen klaren Gedanken behalten - gelungen sein, den Dämon zurück in den ewigen Astralraum zu schicken. Wir waren alle gerettet, doch meinen Anteil daran hatte ich am Tage von "Moriaters Sünde" nicht.

16. Dezember
Schwer tragen wir noch an unseren Wunden, wir alle haben große Blessuren davon getragen. Um etwas Beschäftigung zu haben, weben wir einen weiteren Faden zu dem Amulett. Mein rechtes Bein macht mir Sorgen. Um einigermaßen aufrecht gehen zu können, benötige ich einen kleinen Holzstock.

20. Dezember
Thal war wieder der Nachzügler. Als er dann seinen Faden zum Abschluss brachte, da fühlten wir wieder dieses wohlige, energetische Kribbeln. Unsere Verbundenheit war nie zuvor größer, sind wir alle der gleichen Meinung. Khna war heute jagen, typisch... Ich aber fand etwas vom seltenen Blutmoos auf einer Kräuterwanderung. Val hat sich wohl - soweit ich sehen konnte - bei einem Würfelspiel namens "Zid Bugaard" die Zeit vertrieben. Als ich das am Abend mal spielen will, erklärt er es mir sehr unzureichend. Der Lump hat mich um zwei Silberstücke erleichtert. Mein Bruder ist ein Falschspieler, wer hätte das gedacht!

21. Dezember
Der Abschied rückt näher, denn das Boot ist fertig geworden. Die Wulk sind fast schon hündisch ergeben und unterwürfig seit wir auch den Dämon besiegten. Ein einfaches Völkchen, nicht unsympathisch, aber auch so helle nicht. Irgendwie erinnern sie mich immer ein wenig an eine Zwergenausgabe unseres Hünen. Das wäre die einzige Erklärung, warum Narbeek an ihnen so einen Narren gefressen hat. Das große Fest ist für den heutigen Abend angesetzt. Wir freuen uns schon auf das Zechen und Bechern. Der Wulk-Schamane hat mir von den feurigen Schnäpsen und Gebräuen erzählt, die bei solchen Gelegenheiten gereicht werden. Die Wulk, so sagte Narbeek, sehen große Standfestigkeit beim Saufen als Zeichen für große Manneskraft an. Na, das kann ja heiter werden. Wenn ich mir die verunstalteten Halb-Orks so ansehe, dann denke ich an dergleichen sicher nicht. Egal, nur Besäufnis kommt mir auch willkommen.

22. Dezember
Val, Thal und ich haben den ganzen Morgen über unsere brummenden Katerschädel gehalten, uns gegenseitig bedauert und zotige Witze über Freund Kha`na Wa gerissen. Jeder neue Lacher erzeugte schmerzvolle Gesichter und laute "Au - mein Kopf!"-Rufe. Kha`na Wa hatte uns auch reichlich Grund für ausgelassene Erheiterung gegeben.

Da dieser "Zwischenfall" nicht lediglich eine unbedeutende Randnotiz ist, sondern uns vielmehr verfolgen wird, muss ich hier einige Worte zu diesem Thema finden. Es begann schon am Nachmittag, als eine hübsch-hässliche Halb-Orkfrau dem Hünen runde Augen machte. Unser She`Daan konnte zunächst seine Triebhaftigkeit aber zurückhalten. Uns erheiterte er mit dem Satz "ich mach es ihr ganz sachte".... (begreiflich)...

Am Abend becherten wir alle dann um die Wette und Kha`na Wa schaffte eine unglaubliche Menge von sieben Krügen des hochprozentigen Gesöffs. Der Rest von uns schied schon nach weitaus weniger als die Hälfte aus dem Trinkerrennen aus und tauchte ins Komatöse ein. Aber da mir sehr schwindelig wurde, schloss ich denn meine Augen, besah ich mir die folgenden Ereignisse mehr genötigt als freiwillig noch halb wach und dabei sicher sehr trunken. Val sagte später, er hätte beim Erbrechen auch noch das laute Liebestrumpfen der zwei gehört. Kha`na Wa also soff sich eine Braut schön. Er bekam schon während des Gelages immer mehr weibliches Publikum zur Seite und schleppte letztlich eine recht Mittelprächtige mit den Worten "warum habe ich die denn noch nie gesehen" in ein Zelt ab.
Na ja, es ist sicher vorstellbar, dass lautes Lustgeschrei nicht grade ein Vergnügen ist, wenn man selbst um die Besinnung kämpft und seinen Bruder hinter einem Holzstoss laut "Gepäääääck" rufen hört. Am nächsten Morgen also, als ich mit den anderen Jungens am Spätstück saß, bat mich der recht zerkratzt daherkommende Hüne ihm die Karten zu legen. Wegen meiner Kopfschmerzen konnte ich mich so recht nicht konzentrieren und endete abrupt mit der Aussage: "schwanger"!

Kha`na Wa beschloss also die Halb-Orkin, Trägerin der Frucht dieser Liebesnacht, mit auf unsere Reise zu nehmen. Die Abfahrt war für einen der nächsten Tage angesetzt. Vielleicht waren es auch die vielen Brüder, die ein solches Ehrverhalten Kha`na Was ratsam erscheinen ließ. Meine Vermutung aber: es ist die große Liebe....
"Das wird noch heiter werden", sprach Thal und Val und ich konnten nur bedeutungsschwanger mit den Köpfen nickend zustimmen.