Chemlon, irgendwo im Lande Norgroth des Jahres 702.

Gonnths Avatar hatte uns reichlich an göttlichen Gaben gegeben. Heute, rund drei Wochen später, erkenne ich die göttliche Vorhersehung in diesem Geschenk, denn ohne wären wir unweigerlich zu Trockenfutter des Flammenechsen-Clans geworden. Im Moment der Niederschrift begreife ich nicht ganz, wie vermessen wir uns doch blindlings in die Gefahr begaben und dennoch nicht darin umkamen. Eine schützende Hand ward über uns gehalten, dessen bin ich mir nun sehr gewiss.

Am zwölften Tag nach der "göttlichen Begebenheit", also am 10. November des Jahres 702, wurden wir erneut von den feurigen Echsen attackiert. Wieder zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, da wir vertieft in den Holzabschlag ihr Nahen sehr spät bemerkten. Thal Rhasank und Orcana konnten grade noch die Halborks vom Stamm der Wulk aus der Kampfeszone führen, damit das abergläubige Völkchen angesichts des offenkundigen Ausmaßes der Bedrohung nicht in panische Lethargie verfalle. Denn wir benötigten ihre tatkräftige Hilfe ja noch so dringend beim Bau eines Schiffes. Und dieses nahm nun tatsächlich schon Form und Farbe an. Das Holzgerippe der Nussschale stand bereits am Strande und gezielt wurde nun in der kargen Landschaft nach speziellem Baumaterial für Planken und Mäste Ausschau gehalten.

Wie gesagt, den auserwählten Adepten waren vom Avatar mächtige Gaben geschenkt worden. Ich bekam große Einsicht in eine mir innewohnende Veranlagung, der so genannten Lykanthropie. In der Lage nun, mich in eine animalische Werwolfsbestie zu verwandeln, fühle ich mich besser denn je zuvor in meiner Haut. Ein prickelndes Gefühl von Freiheit und der Erfüllung von Schicksal überkam mich, als ich meine Verwandlung zum Tier erstmals vollführte. Kha`na Wa hingegen war mit einer mächtigen Gabe versehen worden, die sich als lebensrettend erweisen sollte. Er könnte, so war er denn verwundet worden, die Lebenskraft anderer Wesen sogar aus der Entfernung entziehen, um sich so selbst oder andere zu regenerieren. Aber ich will den Leser meiner Lebensgeschichte nicht weiter mit Lobpreisungen unserer neuen Kräfte langweilen und zurückkehren zur Begegnung mit den Flammenechsen.

Diese kamen zu viert auf uns zu und Kha`na Wa ritt auf seinem Reittier Celeborn sogleich einen mutigen Sturmangriff. Der Knabe, so sage ich jetzt immer, kennt weder Furcht noch Tadel. Brüderchen Val`Kiisar geriet arg in Not, als eine der Schuppigen auf ihn einhieb und ich mit Nebelschild gewappnet versuchte einen Geisterwolf zu beschwören. Denn diese kraftvolle Gabe ward mir vom Avatar ebenso verliehen worden. Bei Shuzuk! Meine Versuche waren kläglich! Kha`na Wa tötete zwei der Bestien und ich zauberte mir einen Wolf, also quasi gar nix, musste zu dem zu allem Verdruss auch noch Schlag um Schlag der Echse einstecken. Val`Kiisar erging es sogar noch betrüblicher, denn die Treffer, die ihn von den Beinen huben, wären sein sicheres Verhängnis geworden ohne die rettende Hilfe unseres She`Daan-Freundes. Am Ende des blutigen Kampfes hatten wir sie erlegt und schnitten ihnen die inneren Organe heraus, sie dem Halborkschamanen zu geben, uns daraus etwas Nützliches zu mixen.

Zurück bei der orkischen Wehranlage berichteten wir Narbeek von erneuter Attacke. In uns keimte der Wunsch, dem Treiben der Flammenechsen ein für allemal das Handwerk zu legen und die latente Bedrohung von den Wulk zu nehmen. Val`Kiisar gab auch zu bedenken, dass die Viecher sicher einen wertvollen Hort behüteten, den wir uns unbedingt aneignen sollten. Die Gier, das war mir bewusst, ist stark in unserer Familie...

14. November - Ohne viel weiteres Federlesens machten wir uns auf den Weg zum Fuße des erloschenen Vulkans, den Orcana bei früheren Aufklärungsflügen als vermeintliche Brut- oder Heimstätte der Schuppenwesen ausgemacht hatte. Thal Rhasank und Orkana blieben zur Bewachung der Wulk zurück. Wir wollten zunächst auch nur erspähen, wie ein Gegenangriff zu bewerkstelligen sei. Und tatsächlich, wir machten einen Höhleneingang an besagter Stelle aus und sahen zwei kleinere Echsenwachen im vorderen Bereich des Stollens postiert. Die Gelegenheit schien günstig oder die Gier gewann - wer vermag es zu sagen? Uns dürstete es nach Taten. Plan A besagte, dass ich mich in einen überdimensionierten Werwolf zu verwandeln und dann gemeinsam mit dem berittenen Kha`na Wa in einer Art Überraschungsangriff auf die Wachen zu stürzen hätte, damit diese keinen Alarm zu schlagen vermochten. Val`Kiisar sollte sich im Hintergrund aufhalten und seine Magie zu unserem Wohl verwenden. Plan B - nun ja - den gab es nicht. Wir wagten es also wie besprochen. Leider jedoch, es muss eingestanden werden, handelten wir sehr unüberlegt, denn der Plan schlug fehl. Zwar konnten wir die Wachen im zweiten Anlauf niederstrecken, meine Wolfkrallen taten dabei einen exzellenten Dienst, doch sie hatten laute, sehr seltsame Warnrufe von sich gegeben und schon hörten wir weitere Echsen kommen. Drei der etwas größeren Ausgaben gleicher Rasse, also zirka 3-4 Meter groß, näherten sich uns in dem schmalen Gang zusehend. Kha`na Wa und der Gul-Wolf stürmten auf sie los. Grade zwei hatten wir beide umgehauen - meine Blessuren waren schon beträchtlich geworden - als neues Unheil zu uns herüber hallte. Offensichtlch hatten wir in eine übles Echsennest gestochen. Zwei riesige Monstren ähnlichen Aussehens nahten. Und diese formten seltsames Leuchten mit ihren Händen. Flammen! Und schon schossen erste Feuerstrahlen gen Kha`na Wa. Er also weiter und nie zurück griff sie umgehend an, hieb auf sie ein. Dann plötzlich - wir erschauderten - ein - und das war ganz und gar offensichtlich - intelligentes Echsenwesen in einer sich öffnenden, hell erleuchteten, unterirdischen Höhle. Ein schuppiger Schamane! Die Ereignisse überstüzten sich, mir tropfte schon das Blut von der Wolfszunge und ich musste mich zurück in einen Dunkelelfen verwandeln. Val`Kiisar war uns gefolgt in den Stollen und attackierte die Echsen mit magischem "Handwerkszeugs". Der üble Schamane aber, so erzählte mir Kha`na Wa später, griff in irgend eine seltsame Magie-Trickkiste, verzog schaurig seine Visage zu einer grässlichen Grimasse und - tja, ich hätte es nie für möglich gehalten - jagte somit dem Halboger eine Heidenangst ein. Kha`na Wa fiel - Hoppla! - getroffen auch noch von seinem Gaul. "Ende gut - alles Blut", hatte mir einst Ziehvater Tal' Sea, Oberhaupt der Dunkelelfen von Jasch' Gorn, mehrdeutig orakelt und wir erlegten am Ende auch den Schamanen, der magisch in die Luft gehoben für Val`Kiisar ein gutes Ziel abgab. Beim anschließenden Durchstöbern der Halle und kleiner Wohnkammern entdeckten wir Zaubersprüche und Tränke, die wohl dem Echsen-Schamanen zuzuordnen waren. Wir jedenfalls waren belohnt für den halsbrecherischen Wagemut und kehrten zum Stamm der Wulk zuück.