Chemlon, irgendwo
im Lande Norgroth des Jahres 702.
Ich bin erlebnishungrig
und ein wenig enttäuscht. Denn drei lange Monate soll der Bau des
Bootes brauchen, teilten uns die Halborks vom Stamme der Wulk heute mit.
Der Stapellauf solle dann unweit der alten orkischen Wehranlage erfolgen.
Eine gewaltige Aufgabe, diese Mammutaufgabe, denn die zu schlagenden Gehölze
müssen zunächst aus recht weit entfernten Gebirgshöhen
an den Saum der Insel transportiert werden. Auch beabsichtigen die Wulk
ihre Siedlung - jetzt da wir sie von der "Mission" entledigt
hatten - in das Orkgemäuer zu verlegen.
Um die Zeit zu verkürzen,
helfen wir den Halborks so gut wir vermögen bei dem Transport des
Baumaterials. Und natürlich schärfen wir unsere Sinne und Fähigkeiten,
lauschen allabendlich den Geschichten des Bartlers Narbeek und gehen Kräuter
suchen, jagen oder vertiefen uns in das Studium der Folianten, die wir
in den Kellergewölben fanden. Narbeek bestimmt sogar in einer Lagerfeuerrunde
recht überzeugend das genaue Datum. Gemäß seines Vortrages
wären wir am 7. September des Jahres 702 auf der Insel gelandet.
Zwölf Tage später, also heute, müsste demzufolge der 19.
sein.
20. September
Kha`na Wa beschäftigt
sich viel mit seinem Getier. Seinem Ross gab er den elbischen Namen Celeborn
und der putzige Wolfwelpe soll Galad heißen. Ich werfe dem kleinen
Raubtier in unbeobachteten Momenten Blicke zu. Die Welpe starrt mich seltsam
an.
26. September
Wir sind wieder oberhalb
des Hochplateaus, um beim Holzabschlag zu helfen. Die Halborks brechen
grade schwer beladen gen Wehranlage auf. Thal Rhasank erspäht in
einiger Entfernung zwischen kargem Baumbestand ein loderndes Leuchten
auf sich rasch bewegenden Beinen. Bruder Val`Kiisar treibt die Halborks
zum Abmarsch an. Sie haben die Wesen noch nicht gesehen und wir wollen
sie schnell aus einer vermeintlichen Kampfzone heraus bringen. Jetzt erkennen
wir es schon besser: Es sind zwei echsenartige Wesen, die da den Hang
hinab preschen. Thal Rhasank reagiert geistesgegenwärtig, legt einen
Pfeil auf die Sehne seines Bogens und trifft die erste der beiden, mich
zirka acht Köpfe überragenden Flammenechsen. Bevor ich mich
versehe, haut mich das erste Vieh mit einem satten Krallenhieb von den
Beinen. Feuriger Schmerz durchzuckt meine Schulter, an der nun eine beträchtliche
Wunde klafft. Die Gelegenheit, mich für diese Schmach zu revanchieren,
bekomme ich nicht mehr. Zwar kassiert Thal Rhasank auch noch eine kleinere
Wunde, doch schnell sind die schuppigen Wesen getötet und ich kann
meine Verletzung behandeln.
Am Abend erzählen
wir Narbeek von dieser Begebenheit. Der Bartler runzelte die Stirn sorgenvoll.
"Die Dinge sind ins Rollen geraten, meine Freunde", orakelt
er bedeutungsvoll. Er hörte schon von diesen Flammenechsen, die für
gewöhnlich nie so weit aus dem Gebirge hinabkämen. Diese Wesen
rotteten sich zumeist in größeren Clans zusammen und bilden
eine Art Staatswesen. Narbeek machte uns deutlich, dass wir den überaus
abergläubigen Halborks besser nichts von deren plötzlichem Auftauchen
erzählten. Er erzählte auch von den seltsamen inneren Organen
der Wesen, die wir ruhig hätten genauer betrachten sollen.
27. September
Narbeek hat die Wulk
veranlasst, vermehrt Wachposten aufzustellen. Wir geleiten das Schlagen
der Bäume noch aufmerksamer. Kha`na Wa verhätschelt die Welpe
zu sehr. Ich habe Mitleid mit dem kleinen Wolf, denn ich glaube, man müsse
eher dessen animalische Wildheit fördern. Ich muss dem Hünen
bei Gelegenheit ins Gewissen reden.
5. Oktober
Der Herbst kühlt die Lande zunehmend aus. Val`Kiisar hat einen Keuchhusten
und muss die nächsten Tage das Bett hüten.
6. Oktober
Ein gedenkenswerter Tag in meinem Leben. Heute ereignete sich der zweite
Angriff der Feuerechsen. Zwei etwas größere Ausgaben der gleichen
Gattung wagten einen Überfall als wir wieder beim Baumfällen
Wache hielten. Kha`na Wa ritt eine furiose Attacke und hieb einer den
Echsen glatt das Haupt vom Rumpf. Orcana tötete die andere Echse,
nachdem Thal Rhasank und ich diese bereits verletzt hatten. Erstmals wendete
ich mein frisch erworbenes Wissen an und schoss einen magischen Knochenbolzen
ab. Ein Hauch von Magie durchflutete mich und ich bekam einen köstlichen
Vorgeschmack der Macht, die da innewohnt in diesem Universum.
Dann schnitten wir den Feuerechsen ihre Bäuche auf und entnahmen
ihnen die feurigen Organe. Der Schamane der Wulk sollte einen Blick darauf
werfen.
Orcana versuchte sodann die Spuren der Echsen zu finden, um zu sehen,
von wo her sie gekommen waren. Die Fährte führte zu einem offensichtlich
erloschenen Vulkan. An dessen Kegelfuß verlor sich die Spur und
wir kehrten in Lager zurück.
Die erneute Begegnung mit den Flammenechsen beunruhigte Narbeek umso mehr.
Unser Mentor erzählte, dass besondere Naturereignisse häufig
sehr mächtige Wesen diesen Elementes herbeilockten. Die Flammenechsen
kämen dann in dessen Gefolge. Eine alte Wulk-Sage berichte auch tatsächlich
von einem Flammenberg, so Narbeek. "Keine Garantie gibt es nie",
sagte Narbeek und betonte, dass ein erloschener Vulkan allerdings darauf
schließen lasse, dass das mächtige Wesen nun dort schon nicht
mehr verweile.
Mit den Echsenorganen gingen Thal Rhasank und ich zum Schamanen Boragg.
Angesichts der noch Wärme verstrahlenden Innereien versprach er die
Herstellung besonderer Tränke. Boragg nannte die Echsen "Feuerbringer"
und deutet zum Himmel. Wohl ein Zeichen dafür, dass sich die Wolken
über uns zusammenbrauten...
28. Oktober
Das Holz ist nahezu
geschlagen, die Halborks haben schon mit Vorbereitungen für die Konstruktion
des Bootes begonnen. Bei einem der letzten Materialtransporte an einem
frühen Abend habe ich mal wieder einen kuriose Wahrnehmung: Der Mond
schält sich fahl schimmernd durch den Dunst der Dämmerung und
an einer Felsenwand erkenne ich ein nie zuvor gesehenes Symbol leuchten.
Als ich den Freunden davon berichte, werde ich verdutzt angeschaut und
muss mir eine Frage zu meinem Kräuterkonsum gefallen lassen. Orcana
schaut in den Astralraum und kann tatsächlich das Symbol ausmachen,
dass in rund drei Meter Höhe an der Wand leuchtet. Sie steigt in
die Höhe, um das Zeichen zu erkunden. Als sie es berührt, bemerkt
sie eine besondere Beschaffenheit des Ortes. Das Symbol scheint eine Art
Zugang zu sein, hinter dem sich eine kleine Kammer befindet, in der -
es wird schwer begreiflich - ein strahlender Glanz sich verbreitet. Orcana
schwebt in die Kammer hinein und gibt uns ein Signal ihr zu folgen. Mit
jedem weiteren aus unserer Gruppe, der in die verborgene Höhle steigt,
wächst der strahlende Glanz des hell leuchtenden, gleißenden
Lichtes an. Als wir alle staunend vor diesem ein "gutes, reines Gefühl"
verleihendem Licht versammelt sind, beginnt sich eine Figur aus dem Glanz
zu bilden. Das Phänomen spricht nun im Geiste zu uns: " Ich
bin ein Avatar Gonnths. Dass ihr hier seid ist ein Zeichen dafür,
dass ihr Auserwählte im Spiel der Mächtigen seid. Meine Aufgabe
ist es, euch dies zu verkünden und euch ein wenig Hilfe für
euren beschwerlichen Weg anheim zu geben. Gonnth führt seit endlosen
Zeitaltern die Seite des Lichts ins Feld gegen das schattige Dunkel. Eine
Gabe sei euch verliehen."
Kha`na Wa ging während
der geistigen Ansprach auf die Knie, aber auch die anderen zollten wie
selbstverständlich Ehrerbietung und Demut. Wir konnten kaum unsere
Sinne sammeln und befragten den Avatar nur kurz ob der Wege des Schicksals,
die wir noch zu beschreiten hätten. Was uns als Antwort gewahr wurde
besagte, dass Gonnth und die Fraktion des Lichts auf unserer Seite stehe.
Allein aber müssten wir den Weg der Bestimmung gehen, denn ein jeder
Zug im Spiel der mächtigen provoziere eine Reaktion der Schatten.
Das Licht durchströmte uns und wir verspürten neues, ungeahntes
Wissen und Fertigkeiten, die uns als Geschenk gegeben waren.
Der Avatar war wieder
verschwunden und wir blickten uns glücklich, überaus glücklich,
und dennoch fragend an.
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