Chemlon, irgendwo
unter Sed Fehir, zur Jahreswende 705/706
30. Dezember 705
Nach wenigen Stunden durch die Verliese erreichten wir unbeschadet das
Anwesen des Elementaristen. Er war nicht sonderlich beeindruckt von unseren
Erzählungen über die Begegnung mit dem Imperator, so dass ich
davon ausgehen muss, dass es sich bei Teunus um einen Aufschneider handeln
muss. Ich bot ihm das seltene Elixier von den beiden verendeten Tieren
an, welches ich in einer Ampulle bei mir trug. Im Gegenzug wolle er mir
sein Labor zur Herstellung von Blutamuletten zur Verfügung stellen,
sagte er.
Neujahrstag 705
Haben gestern ordentlich gebechert, unser Leben und das neue Jahr begossen.
Teunus warf zu diesem Zwecke ein kleines Fässchen vom besten Zwergenbräu
auf den Markt. Heute wollen wir uns auf den Weg zum Gargolyen-Clan der
Vudd machen, um König Unoma Bericht über unsere Unternehmungen
zu erstatten. Und das Clan-Schwert muss der Khna Wa auch noch abliefern.
3. Januar 706
Wir sind jetzt "Freunde des Clans der Vudd". Erstaunliches hat
sich am gestrigen Tage zugetragen. Als wir mit dem Schwerte zur unterirdischen
Behausung der Gargoylen kamen, da folgte uns eine immer größer
werdende Traube dieser Flattermänner. Offensichtlich waren sie davon
begeistert, dass man ihnen das Schwert zurückbrachte. Der König
selbst war ebenfalls von unserer Leistung angetan. Er empfing uns auf
seinem großen Thron sitzend und mit wohlfeilen Worten.
Als Khna Wa ihm das
Schwert unterwürfigst darreichte, da packte Unoma es nicht grob am
Griff, sondern hielt seine Hand eine Elle oberhalb der Klinge. Siehe da:
das Schwert hob in die Luft und begann in seinem matten Blauton zu schimmern.
Mein hünenhafter Freund platze dabei heraus, dass das Schwert "singe".
Und auch die Gargolyen stimmten an zu einem großen "Oh!"
und "Ah!" der Begeisterung. "Er kann es hören!",
verstand ich einen der Gargoylen wispern. Als Unoma dann noch die Klinge
in der Luft und ohne sie zu halten kreisen ließ, konnten sie sich
gar nicht mehr einkriegen. Er sprach dann davon, dass "die Ereignisse
sich wiederholen" und das Schwert seine Wahl getroffen habe. Zunächst
konnte ich mir darauf keinen Reim machen. Das folgte erst später.
Nachdem wir Unoma von unseren Erlebnissen beim Drachen Imperator berichtet
hatten, gab er uns eine Warnung mit auf den Lebensweg: "Sollte
er einen Faden zu dem falschen Amulett weben, dann wird er sehr wütend
sein und vielleicht sogar seine Insel verlassen! Hütet Euch also
vor seinem Zorne. Sogar ich würde mich nicht gerne auf einen Kampf
mit ihm einlassen."
Zu unseren Ehren wurde
sogleich ein Fest organisiert. Unsere Beförderung zu "Freunden
des Clans" sollte gebührlich gefeiert werden. Unoma selbst legte
jedem von uns ein ledernes Band um das Handgelenk. Und mit einer kleinen
Berührung schloss es sich auf magische Weise. So wurden wir die Freunde
der Vuuuuuud-Gargoylen. Khna und Fiss begriffen ihren anerkannten, neuen
Status sofort und begannen auch sogleich mit der Zecherei. Als Essen wurde
rohes Fleisch von guter Qualität dargeboten. Aber man kann als Held
ja nicht immer nur besoffen durch die Länder torkeln, dachte ich
mir und erkundete ein wenig die Siedlung der Gargoylen auf eigene Faust.
Nicht weit entfernt vom Gelage erspähte ich einen großen Käfig,
in dem eine Bewegung auszumachen war. Ich schritt näher heran. Zwei
große Gargoylen-Krieger hielten Wache vor dem Gefängnis. Dann
sah ich auch warum: In dem Käfig kauerten neun ganz gewiss von einem
Dämonen korrumpierte Gargoylen. Kein Zweifel war möglich, denn
solche hatte ich in der verfluchten Ruine schon einmal gesehen. Den Wachen
konnte ich allerdings keine Informationen entlocken. Sie waren wohl zu
dumm oder sprachen meine Sprache nicht, sondern klopften sich immerfort
nur mit der Faust auf die Brust und grunzten "Vuuudd! Vuuudd!".
Einerlei. Hatte ohnehin die Absicht, den Boss-Flattermann zu befragen.
Unoma erzählte
mir dann, dass diese Gargolyen vom Dämonenkönig Blutpriester
korrumpiert wurden und dass dieser in der verbotenen Ruinenstadt seinen
unheilvollen Experimenten nachgehe. Eine eindeutige Warnung an unsere
Adresse, diese Region der Verliese nicht aufzusuchen. Er erzählte
mir aber auch, dass ihm das Clanschwert etwas geflüstert habe. Und
zwar wolle es wieder den Clan verlassen und zuvor noch Blut sehen. Er
berichtete auch von einem Krieger und einem Dämonenjäger namens
Wirko. Beide hätten früher schon das Schwert aus den Reihen
des Clans zu neuem Ruhme geführt. Na ja, schwer zu erraten war es
dann nicht: Mein Bruder im Kampfe, der Khna Wa, sollte eine Einladung
zum Kampfe bekommen. Er gegen neun dieser vom Bösen besessenen Kreaturen.
Und so kam es zu einem durchaus legendären Kampf auf Leben und Tod.
Bevor ich allerdings
über diesen Zeugnis ablegen möchte, erzähle ich noch von
anderen wissenswerten Dingen, die mir der König anvertraute. Befragt
nach dem Dämonen Folterknecht (aufmerksame Leser meines Tagebuches
werden wissen, dass dieser getötet werden muss, damit ich die wahre
Macht eines meiner magischen Gegenstände zu entfalten in der Lage
bin), sagte Unoma, dass er sich für mich erkundigt habe. Ein Geist
habe ihm recht empört verraten, dass der Folterknecht südlich
der Südspitze des Kreuzgebirges Unheilvolles anstelle. Ein mächtiger
Geist von einem einst mächtigen Wesen soll er gegen dessen Willen
zu bestimmten Taten nötigen. Zugegeben: Das war eine recht dürftige
Information. Doch ich bedankte mich artig und beschloss, meine Dämonenhatz
auf später zu vertagen.
Am nächsten Tag
erhielt der Khna Wa dann auch eine Banderole mit der Einladung zum Kampfe
gegen die Neun. In ihr war auch das Reglement des Kampfes beschrieben:
Demnach würde nur dann wer die Arena verlassen dürfen, wenn
die Gegner, bzw. der eine Gegner den Tod gefunden haben würde. Auch
war darin jegliche Unterstützung mittels Magie von "Unbeteiligten"
untersagt. Khna Wa - eine Spezialität des Großen - dachte nicht
viel nach und entschied sich zur Annahme der Prüfung. Und wir kamen
zu dritt der Aufforderung nach, zu einer Audienz beim König Unoma
zu erscheinen. Kaum dass wir die karge Behausung verlassen hatten, scharten
sich neugierige Gargoylen in großer Anzahl um uns. Die wollten offenbar
genauso wie das Schwert noch ein wenig Unterhaltung für den laufenden
Tag gaben. Und so kam es dann auch. Unoma erklärte nochmals kurz
das Regelwerk zum Wettkampf und wies darauf hin, dass es ein sehr schwerer
Kampf werden würde für meinen Freund und das er auch ablehnen
könne. Worte für die Katz, dachte ich dabei und blickte den
starrsinnigen Begleiter von der Seite an. Die mitgekommenen Gargoylen
jubelten in Aussicht auf ein schönes Morden und begannen augenblicklich
damit, eine Wettkampstätte zu errichten.
Der Kampf
Feuermagier Fiss und meine höhere Erleuchtung setzten sich auf eine
Behelfstribüne am Rande der Arena. Khna Wa hatte sich zuvor noch
in meiner Kräutersammlung bedient und einige ihn stärkende Früchte
und Pilze ausgewählt. Damit Fiss und ich nicht unerlaubter Weise
magisch in den Kampf eingreifen würden, platzierte man neben uns
zwei Schamanen des Clans.
Dann ging es los.
Mit einem wütenden Sturmangriff wehte Khna Wa in die Reihen der vom
Dämonen Blutpriester infizierten Gargoylen-Gegner. Nach seinem wuchtigen
Schwertstreich war er sogleich von vier Kreaturen umringt. Die Menge tobte
und feuerte ihn an. Der kleine Zwerg an meiner Seite und ich sogar selbst,
wir riefen unseren Freund unentwegt gutmeinende Ratschläge zu. Ganz
offensichtlich überhörte er diese aber. Der Kampf dauerte lange
und wogte hin und her. Nach zwei oder drei Minuten war ich fest davon
überzeugt, dass Khna Wa in diesem Kampfe fallen würde. So übel
sahen seine Wunden schon aus. Aber der Hüne erwies sich als ein überaus
langatmiger, wenn auch zuweilen langweiliger Totschläger der Gargoylen.
Bemerkenswert eine Beobachtung: Das Blut der Gargoylen lief von der Klinge
seines Schwertes zu dessen Griff und irgendwie schien es mir so, als ob
er dadurch neues Leben schöpfte. Merkwürdig! Und für mich
als Geisterbeschwörer von höchstem Interesse. Nun denn: Am Ende
des Ringens schlug er noch die Hörner der boshaften Flattermänner
ab und warf davon - ganz und gar im Stile eines populistischen Volkstribuns
- einige in die begeisterte Menge.
Nach dem Kampfe stand
eine erneute Audienz bei König Unoma an. Er erklärte feierlich,
das nun das Schwert des Clans mit Khna ziehen werde. Auch ließ er
sich nicht lumpen und kündigte an, dass er uns gegebenenfalls einmal
irgendwann später "wenn wir denn reif dafür seien"
und "noch mehr" für seinen Clan getan hätten, sogar
ganz vielleicht in den einen oder anderen Bereich seines Wissens würde
Einblick gewähren wollen. So wahr ich Moriater Gulgauer heiße:
Ich nenne so etwas die schamlose Ausbeutung von Konjunktiven!.
Wenig später,
wir waren da schon wieder auf dem Weg zu Teunus, dem Elementaristen, erzählte
uns Khna Wa, dass er die Sprache der Gargoylen jetzt verstehe. Und das
dies mit dem Schwerte zusammenhängen müsse.
4. Januar
Gruppenbeschluss: Wir wollen drei Wochen bei Teunus verweilen, um die
magische Struktur unserer Gegenstände anzuweben. Auch wollte ich
noch neue Amulette in dessen alchimistischen Labor herstellen. Anschließend
- so der Plan - würde ein weiterer, kurzer Besuch meiner Lehranstalt
der Dunklen Künste anstehen.
25. Januar
Wir sind wieder auf Reisen. Die Richtung ist klar: Südwärts
treibt der göttliche Auftrag uns. In der Lehranstalt fand ich ein
tragbares Alchemie-Labor von großer Güte. Südlich des
Kreuzgebirges wollten wir bei der Menschensiedlung Station machen. Auch
habe ich die Absicht, dort Ausschau nach den Missetaten des Dämons
Folterknecht zu halten. Weiter würde uns die Reise dann zur Schule
der Magie bringen, wo wir die Spur von Fenchu Flammenbart aufnehmen wollten.
Und dann hatte Khna auch noch ein Duell auf dem Zettel. Also viel zu tun.
Als wir dann an der
Oberfläche in Sed Fehir ankamen, da bockte jedoch der Khna Wa rum.
Er könne sein Pferdchen leider nicht zurücklassen und daher
käme eine Fortbewegung mittels meiner Knochenkreise auch nicht in
Frage. Fiss und ich schäumten vor Wut, ließen ihn dann aber
doch gewähren. Fiss auf dem Thron, Khna Wa und ich auf seinem Gaul.
Jetzt liegt das weite Land vor uns ausgebreitet und ich freue mich auf
neue Abenteuer auf den verwunschenen Wegen Chemlons.
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