Chemlon, irgendwo
in der Golfregion, in der Mitte des Jahres 705
18. Oktober 705
Wir trafen heute beim Elementaristen Komli Teunus ein und erholten uns
zunächst von den Strapazen der Reise in den Katakomben unterhalb
von Sed Fehir. Immerhin hatten wir gerade erst eine Begegnung mit einem
offenbar dämonisch korrumpierten Gargoylen-Clan in einer verfluchten
Stadt lebendig überstanden. Wir berichteten Teunus, dem Mentor von
Fenchu Flammenbart, von unseren Erlebnissen und davon, dass ich das Vermächtnis
von Tal`Sea angetreten hatte. Als er von meiner Inbesitznahme der Lehranstalt
der Dunklen Künste erfuhr, erzählte er warmherzig davon, dass
die drei Helden Tal`Sea, der Steppenreiter Loment und der Magier Elofin
auch bei ihm einst gastierten. "Dann seid ihr nun reif", sprach
Teunus salbungsvoll und beschied uns, dass diese Drei einst etwas für
uns hier zur Aufbewahrung abgaben. Er wolle uns diese Dinge jetzt aushändigen.
Mir wurde ein seltener Zauberspruch zuteil, Khna`Wa und Fiss erhielten
hingegen Pergamente nach deren Studium sie ihr Können auf einem speziellen
Gebiet würden verbessern können.
Da es weiterhin mein
Ansinnen war, diesen Dämonenfürsten namens Folterknecht ausfindig
zu machen, um ihn töten zu können, befragte ich Teunus nach
dessen wahren, dämonischen Namen. Leider kannte er den nicht. Auch
die "verbotene Sprache" der Dämonen ("Sanuk")
- mich reizte ja schon von Kindesbeinen an alles Verbotene - war er nicht
imstande mich zu lehren. Aber letztlich mischte er uns in seinem Alchemielabor
noch einige nützliche Stärke-Tränke und verkaufte dazu
eine Reihe von Heiltränken. Unser Plan war es, am nächsten Tag
mittels Knochenkreis und Zauberspruch zur Lehranstalt der Dunklen Künste
zurück zu kehren. Denn in all der Aufregung ob des Vermächtnisses
hatte ich ganz und gar vergessen, mich dem Studierzimmer von Tal`Sea einmal
näher zu widmen.
Teunus und ich kamen
übrigens darin überein, dass ich ab und an einen neuen Lehrling
zu ihm schicken könne, den er dann weiterleiten würde in Richtung
meiner Lehranstalt. Im Gegenzug für diese Gefälligkeit versprach
ich, auch ihm Lehrlinge zu besorgen.
19. Oktober 705
Am Ende dieses Tages bin ich versöhnt mit dem Rest der Welt. Zwar
konnte ich in der durchaus vielschichtigen und interessanten Bibliothek
im Meisterturm der Lehranstalt der Dunklen Künste keine neuen Zauberformeln
entdecken, doch Tal`Seas Studierzimmer entpuppte sich als wahre Goldgrube.
Eine derart unermesslich
umfangreiche Sammlung von neuen Zauberformeln, so dass ich sie wahrlich
gestresst auf mein Gewand der Seelen übertragen musste. Ich werde
aber zur Sicherheit noch ein kleines Grimmoire anfertigen, in dem ich
eine Auswahl der Formel niederschreibe, um dieses dann in die Tiefen meiner
Astraltasche zu versenken. Sicher ist sicher. Bei meinem Studium der Bücher
erfuhr ich auch, dass es einst eine mächtige Formel namens "Armee
der Toten" gab, die - Nachtigall ich hör dir trapsen - ein gewisser
Geisterbeschwörer namens Vrork in den Elfenkriegen einsetzte, um
10.000 tote Soldaten als Kadavermenschen wieder in den Kampf zu schicken.
Das soll eine der schrecklichsten Taten überhaupt gewesen sein, berichtete
mir die Aufzeichnung. Augenblicklich gebar ich den heißen Wunsch,
dieses Können eines Tages auch zu erlernen. Denn wir waren - abgesehen
von dem einen oder anderen Abstecher - ja auch auf dem direkten Weg zu
diesem "Finsteren".
Im Studierzimmer fand
ich zudem Informationen über vier Dämonen:
- den Prinz der Täuschung
(na klar, ein Prinz)
- den Fürsten der Niedertracht (Prinz)
- den Totengräber (ein niederer Dämon)
- und den Folterknecht (Prinz),
Eine Fibel mit deren
Hilfe ich mein Können auf einem speziellen Gebiet vertiefen kann.
Und auch noch ein kleines Büchlein zur Dämonensprache Sanuk
fiel mir in die Hände. Die abgebildete Lautschrift scheint jedoch
sehr sonderlich, so dass ich wohl einen Experten um Lernhilfe werde bitten
müssen.
Langsam wird es spät.
Meine Studien verschlingen mehr Zeit als erwartet und meine Begleiter
drängen zum Aufbruch. Gerade hat der Zwerg Fiss mich und Khna`Wa
bedeutungsvoll zu einem Gespräch gebeten. Mal sehen, was der Kleinwüchsige
jetzt schon wieder will...
20. Oktober 705
In der Tat eine erstaunliche Geschichte, die der Zwerg uns gestern aufgetischt
hat. Ohnehin hatten wir ihm seine Profession zuvor nicht so recht abnehmen
wollen. Denn wer sich so einfach aus dem Nichts eine Art Lavabestie zum
Begleiter herbeizaubern kann, der gehört für gewöhnlich
mit Argwohn betrachtet. Nach dem Hören seiner Geschichte erklärt
sich aber auch dies. Fiss ist in Wahrheit ein überaus seltenes Exemplar.
Man könnte sagen, dass er ein Lichtelf in zwergischem Format ist.
Diese "Lichtgestalten" kommen von Zeit zu Zeit auf die Welt,
ganz einfach so und ohne das es dafür einer Paarung von zwei Lichtelfen
bedarf. Daher, so Fiss, trage er auch dieses seltsame Mal auf seiner Stirn.
Dann offenbarte er uns auch, dass es sich bei ihm keinesfalls um einen
gewöhnlichen Magier und Scholaren handle. Denn dereinst wanderte
er über das Antlitz Chemlons und traf auf einen sterbenden Elfen,
der ihm das Tor öffnete, um ein Feuermagier zu werden. "ich
bin der einzige, den ich kenne", sprach Fiss.
Dann machten wir uns
wieder auf den Weg. Inzwischen hatte ich den für diese Art der Fortbewegung
durchaus essentiellen Zauberspruch zum Verlassen des Astralraumes gelernt.
Denn das Eigentümliche an solch einer Passage von Knochenkreis zu
Knochenkreis und der Überbrückung auch größerer Distanzen
ist, dass man quasi auf recht schnelle Art und Weise den Astralraum passiert.
Sollte dabei aber der Spruch nicht hinreichend gut genug gewirkt worden
sein, so strandet man auf der astralen Ebene - "dem Jenseits".
Keine wirklich gute Idee sofern man kein Mittel kennt, um dieses wieder
zu verlassen. Das sollte dem Leser meiner Aufzeichnungen einleuchten.
9. Dezember 705
Beim Elemantaristen Teunus verbrachten wir rund sieben Wochen, um uns
mit unseren magischen Gegenständen zu beschäftigen. Viel Trübsal
in dieser Zeit für mich. Verzierte die Stickereien auf meinem Gewand
der Seelen und trank vor lauter Langeweile literweise Tee. Morgen brechen
wir auf zum Gargolyenkönig, um zu sehen, was er in der Zwischenzeit
zustande brachte.
10. Dezember 705
Nach der Audienz bei Unoma Vudd können wir einigermaßen beruhigt
sein und zum Drachen Imperator ziehen. Der Herrscher des Gargoylenclans
übergab uns eine täuschend echte Kopie des Artefakts "Talismann
der Schwingen" und einen Kopf, der aussah wie der von Unoma Vudd
persönlich. Nur eben von dessen Leib abgetrennt. Damit wollten wir
den Imperator täuschen und uns von diesem leidigen Eid befreien.
Khna`Wa anblickend
sagte Unoma dann, dass er als Gegenleistung gerne einen für seinen
Clan bedeutungsvollen Gegenstand aus dem Horte des Drachen hätte.
Er sprach von einem Schwert mit Flügeln an dessen Knauf. Er nannte
es das Gargoylenschwert von Imreth Loth, welches wir ihm bringen mögen.
Bei der Gelegenheit erfuhren wir auch, dass der Name des Clans Imreth
Loth übersetzt soviel wie "Insel der Tiefe" bedeutet. Der
Imperator hatte uns ja als Dreingabe für die Tötung des Gargolyenkönigs
(mit Kopfbeweis) versprochen, dass wir uns etwas von seinen Schätzen
aussuchen könnten.
Unoma Vudd erzählte
zudem, dass er Tal`Sea bereits vor seiner Wiedererweckung kannte und dass
wir uns vor dem Dämon Folterknecht in acht nehmen sollten. Denn der
Blutpriester habe ihn unter seine Fittiche genommen und habe ihn auch
in magischen Fertigkeiten unterwiesen...
Zu unserem Bedauern
mussten wir auch hören, dass unserer Freund Fenchu Flammenbart, der
Unoma bei der Herstellung der Kopien assistiert hatte, den Clan bereits
wieder verlassen hatte. Seine Elementargeister hätten ihm berichtet,
dass seine Freunde verschollen seien, so Unoma Vudd. Er habe sich daher
auf deren Fährte begeben und zur Schule der Magie. Offenbar war einer
dieser Freunde Fenchus der Geisterbeschwörer Bainar, vom dem wir
schon in der Zwergenstadt hörten.
Nach dem Ende der
Plauderei machten wir uns zurück auf den Weg zu Komli Teunus. Wir
verabredeten, dass er den Knochenkreis nach unserer Abreise zerstören
würde. Denn unser Plan war, über eine Reihe von mir in der Vergangenheit
wohlfein platzierte Kreise bis direkt in die Nähe der Insel des Imperators
zu gelangen. Sozusagen eine Art "Knochenkreis-Hüpfen".
Meine eher skeptischen
Begleiter - allen voran der schwerfällige Hüne Khna`Wa - überzeugte
ich von meinen Künsten mit dem ersten "Sprung" über
eine Distanz von rund 1000 Kilometern! Wir landeten an einer geschützten
Stelle in den Dünen einer kleinen Blutgolfinsel. Mit dem nächsten
"Sprung" überquerten wir den Blutgolf dann und landeten
im Keller eines Hauses in Kedus Faith. Von oben hörten wir unseren
alten Freund, den Dämonenjäger, leidvoll jammern: "Ach
meine kleinen Racker! Wo sind die Kinderchen bloß geblieben?".
Da wir ihn nicht stören wollten, schickten wir uns zum letzten "Sprung"
an. Er sollte uns direkt an den Strandabschnitt transportieren, an dem
wir einst die besagten Kinder aus den Klauen böser Orks erretteten.
Doch, wie soll ich's
sagen? Irgendetwas muss dann wohl gehörig schief gelaufen sein...
Plötzlich befand
ich mich im freien Fall. Der Himmel war rötlich eingefärbt,
doch Wärme spendete er nicht. Irgendwie eiskalt lief es mir eher
den Rücken hinunter. Mir wurde augenblicklich klar: dies war eine
Bruchlandung im Astralraum. Schlimmer noch: Während ich aus großer
Höhe abstürzte, sah ich mit atemberaubender Geschwindigkeit
einen geflügelten Dämonendrako in unsere Richtung kommend! Auf
der Bestie - als ob die allein nicht schon Grund für eine anständige
Verzweiflung gewesen wäre - saß ein humanoider Dämon.
Um sich dessen Größe besser vorstellen zu können: Er trug
in seinen Händen einen vier bis fünf Meter langes Schwert, das
er ganz offensichtlich gegen uns einzusetzen beabsichtigte. Jetzt ging
alles rasend schnell: Khna`Wa ritt auf seinem Geisterpferd und da dieses
zu fliegen verstand, konnte er mich mit einem gewagten Manöver in
meinem Sturze auffangen und zur Erde bringen. Fiss saß hingegen
wie üblich auf seinem flammenden Thron und sackte zunächst auch
bedrohlich weit ab, konnte sein Flugvehikel dann aber stabilisieren. In
der Zwischenzeit war der "Reiter der Verdammnis" (dem Wissen
in Dämonenkunde sei dank!) erheblich näher an uns herangeflogen.
Ich konnte schon die Mordlust in den gelben Augen des Dämonendrakos
funkeln sehen.
Rasch liefen, bzw.
ritten wir auseinander, um kein leichtes Ziel für den tödlichen
Feuerodem auf einem Fleck abzugeben. In Windeseile sprach ich die Formel
für mein Nebelschild, schluckte ein Kraut und zerbrach einen der
Knochen, die uns der Sohn Necrons gegeben hatte. Zwar sollte ich dies
erst tun, sobald wir in 2 Tagen Entfernung vom Imperator wären, aber
erstens war es sogar sehr gut möglich, dass dem so war und zweitens
hatte ich nicht wirklich noch die Spur einer Hoffnung, dass ich diesen
Kampf lebend überstehen könne. So sollte er wenigstens unsere
Überreste finden und sich gegebenenfalls auf die Fährte des
Buches machen können, dachte ich. Danach war an Denken nicht mehr
zu denken, denn die Ereignisse überschlugen sich.
Als erstes Ziel hatten
sich Drako und Reiter der Verdammnis den armen Zwerg Fiss ausgesucht.
Es sah zwar noch ganz anständig aus, wie er den Pranken des Drachenartigen
und den Schlägen des Dämonen auswich, doch als letzterer dann
auch noch anfing zu zaubern und der Erstgenannte sein Feuer spie... Fürwahr:
Das Ende schien gekommen!
Der Dunkle Ritter
Khna`Wa ritt dann stürmisch auf das Böse Duo zu und schlug auf
den Dämon ein. Er rief dabei - etwas befremdlich für mich -
eine längst zu den Akten gelegte Gottheit an. Seinen Ex: Gonnth.
Da aber dieser Dämon trotz gewaltiger Hiebe von Khna`Wa nicht von
seinem geflügelten Reittier stürzte, machte ich mir kaum noch
Hoffnungen auf eine erfolgreiche nächste Runde in diesem Kampfe.
In Anbetracht der schieren Ausweglosigkeit rief ich meine erhabene Gottheit
Shuzuk um Hilfe an:
"O
Shuzuk, o große Gottheit!
Lasse diese Diener des Bösen in den Fluten meiner mächtigen
Geisterwelle versinken!
Dich zu ehren und Dich zu preisen
will ich die große Halle meiner Lehranstalt Dir widmen
und Dein Konterfei dort für spirituelle Zwecke anbringen (lassen)."
Zu meinem Bedauern
erhörte mich die liebe Shuzuk nicht. Aber jetzt war es dennoch an
mir, meine Zauberkraft gegen unsere Gegner auszuprobieren. Und siehe da:
Eine den Astralraum durchrollende Geisterwelle traf ihr Ziel und das Ziel
heulte auf. Leider war das Heulen noch meilenweit davon entfernt, mir
neue Zuversicht zu schenken. Dann kam es zum "Duell" Khna gegen
die doppelte Verderbtheit. Und Khna, der wiederum nach Gonnth rief, landete
dabei - obwohl er wieder Streiche mit seinem Schwert platzieren konnte
auf dem Boden.
"O Shuzuk, o große Gottheit!", setze ich wieder an...
Denn ohne göttlichen Beistand war hier kein Blumentopf zu gewinnen.
So viel war klar.
"O
Shuzuk, o große Gottheit!,
ich erbitte Deine Gunst in der Stunde der Not.
Lasse mir Deine Hilfe angedeihen.
Ich will fortan Dein Weihepriester sein."
Und Übung macht
den Meister: Shuzuk erhörte mich. Jetzt wollten die Niederweltler
mich allerdings kalt stellen. Mit göttlichem Beistand wich ich den
Hieben lässig aus. Die Flügelbestie aber spie mir ihren Odem
entgegen und der Dämon traf mich mit einem schmerzhaften Zauber.
Eine vom göttlichen
Karma gesättigte Geisterwelle ließ ich dann aber über
die üblen Geschöpfe rollen. Und siehe da: Der jenseitige Reiter
klappte zur Seite weg. Den hatte ich zumindest schon einmal erledigt.
Verblieb also noch der Dämonendrako. Eine weitere Runde im Kampf
gegen das Monstrum würde ich kaum überstehen können. Ich
hoffte auf mein Glück. Und in der Tat: Geschickt genug war ich an
diesem denkwürdigen Tage, um meinen Zauber zu wirken noch bevor ich
getötet werden konnte. Und diesen Umstand überlebte dann der
Dämonendrako - Shuzuk sei Dank - nicht mehr.
Hastig begann ich
sofort einen Übergang in das Diesseits zu zaubern und kümmerte
mich ein wenig um meine Freunde. Dann verließen wir den Astralraum.
Es war wieder einmal eine Frage von Gott und Glück gewesen.
Erst später sollte
ich dann feststellen, dass mir im Drachenfeuer des Dämonendrakos
ein wertvoller magischer Gegenstand genommen ward, den ich sehr liebte:
Mein Lupendium!
Meinen Begleitern war es allerdings ähnlich ergangen. Auch sie hatten
wertvolle Utensilien eingebüßt. Aber nach diesem denkwürdigen
Sieg über die Geschöpfe der Niederwelt wollte ich mich nicht
meinem Kummer hingeben. Denn es war ein großer Sieg.
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