Chemlon, irgendwo
im Lande Norgroth des Jahres 705
15. Juni
Dunkelheit war um mich herum. Ich in einem langen, dunklen Schacht. Was
war passiert und vor allem: Was war mit mir passiert? Ich rief in meinen
Gedanken nach Honshu, doch ich hörte keine Antwort. Langsam keimte
die Saat der Erinnerungen, gegossen mit meinem eigenen Blute. Wir waren
auf einen bösen Dämonenfürsten gestoßen. Blutpriester
sein Name. Nur schwach noch das Abbild der Erinnerung. Ich sehe Khna`Wa
vor mir, wie er über die Leichen von sechs Zwergen hinwegspringt
und auf diesen boshaften Dämon mit wuchtigen Schlägen eindrischt.
Wie von Geisterhand geohrfeigt lag dann aber nicht der Blutpriester im
Staube, sonders es ward der Khna, der zu Boden ging. Was folgte, das war
mir sehr wohl bekannt: Immerhin wirkte ich den Knochenbrecherzauber schon
häufig genug, um ihn auch erkennen zu können. Nur leider waren
wir dieses Mal Ziel des zerstörerischen Spruchs. Das muss der Moment
meines Todes gewesen sein. Aber warum konnte ich dann noch denken? Warum
spürte ich dann noch meine geschundenen Knochen so arg schmerzen?
Des Rätsels Lösung
saß nur wenige Schritte entfernt vor mir: Erhaben und gewaltig und
unverkennbar mächtig. Als ich meine blutverklebten Augen einen dünnen
Spalt nur öffnete, da erblickte ich einen Drachen. Heiser krächzend
grüßte ich ihn, denn er war mir zweifelsohne sehr wohl bekannt.
Wir bargen einst das Drachenei aus dem dieses besonders prächtig
herangewachsene Exemplar seiner Gattung gewachsen war. "Sei gegrüßt
Freund", sprach ich leise und unter größten Anstrengungen.
Nicht unbemerkt blieben
zwei reglose Leiber neben mir und ein sich ebenfalls in einem beklagenswerten
Zustand befindlicher Khna`Wa. Mein Entsetzen war umso größer,
als ich nicht umhin kam, den Tod unseres treuen und tapferen Mitstreiters
namens Tarn zu registrieren. Auch der Halbork mit dem Namen xxx war offenbar
rettungslos leblos. Jetzt war aber keine Zeit, um sich der Trauer hinzugeben.
Ich musste dringlichst vom Drachen erfahren, was geschehen war. Als ich
meinen Blick wieder zu ihm richten wollte, erspähte ich eine offene
Wunde in Form einer Rune auf meiner Brust.
Der Drache und ich
begannen in der Folge eine Konversation über die Umstände unserer
Rettung, über Drachen allgemein und über die Abenteuer, die
wir seit dem letzten Treffen bestanden hatten und die noch vor uns lagen.
Als ich anmerkte, dass wir vor nicht langer Zeit dem Drachen namens Imperator
begegneten und der uns zu einem Dracheneid zwang, nannte ihn mein Freund
"seinen Onkel", der ein wenig aus der Art geschlagen sei. Und
als ich einen anderen Drachennamen erwähnte, den er kurz nach seinem
Schlüpfen aus dem Ei sagte, da beschied er uns, dass dieser Necron
der Name seines Vaters sei.
Als ich ihm erklärte,
wie wir mit Hilfe des Gargoylenkönigs Unoma Vudd den erzwungenen
Dracheneid mit dem Imperator zu erfüllen trachteten, da zeigte sich
der Freund gnädig. Er packte den Hüftknochen eines Zwerges und
vollführte ein magisches Ritual. Dabei glühten seine Krallen
seltsam auf. Dann riet er uns, dass wir im Rahmen unserer Mission genau
diesen Knochen zerbrechen mögen, sobald wir nur noch zwei Tagesreisen
entfernt vom Imperator sind. "Ich werde dann kommen und euch einen
letzten Gefallen tun", erklärte der Drache salbungsvoll.
Zum Dank für
seine Gütigkeit, uns aus dem Tode zurück und wieder in das Leben
geführt zu haben, offerierte ich ihm meine Dienste und meine unvergängliche
Treue. Und in der Tat, ich könne ihm vielleicht einen Gefallen tun,
erwiderte er und vollzog mit einem weiteren Knochen ein ähnliches
Ritual. Dieser Knochen sei eine Nachricht an einen anderen Onkel von ihm,
der von den kleineren Rassen auch als "Der Jäger" (jagt
offenbar hautberuflich Dämonen) bezeichnet wird. Ich möge sie
ihm bringen. Oberste Priorität, so erklärte der Drache, habe
aber die Widerbeschaffung des Buches "Die Begehung des Jenseits".
Dieses müssten wir möglichst umgehend wieder dem Dämonendrako
abnehmen und zu dem Geisterbeschwörer in die Glutsümpfe bringen.
Er könne uns weiterhelfen, sprach er.
Alle guten Dinge sind
drei: Ein weiteres und letztes Mal griffen die Krallen des Drachen nach
einem Zwergenknochen und wieder veränderte er diesen auf magische
Weise. Kurz vor dem Aufeinandertreffen mit dem Dämonendrako möge
ich diesen zerbrechen und uns würde ein Schutz vor dessen Odem im
Kampfe helfen.
Ich bedankte mich
erneut vielfach und erwähnte noch am Rande, dass wir doch tatsächlich
über keinerlei finanzielle Mittel verfügten, um uns eine kleine
Ausrüstung in der naheliegenden Zwergenstadt zu kaufen. Und als ob
er uns nicht schon genug geholfen hatte, brach der Drache einen Stein
aus der Höhlenwand und übergab mir einen ordentlichen Klumpen
Gold. Zum Abschied wies er dann noch darauf hin, dass er uns zwar weiter
freundschaftlich verbunden bleibe, aber künftig keine Hilfe mehr
stellen könne. "Das Band ist jetzt zerrissen", orakelte
er.
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