Chemlon, irgendwo
im Lande Norgroth des Jahres 705
14. Juni 705
Wir standen vor einer langen Halle. Das Inventar war arg zerledert. Am
Ende erspähten wir eine Art Portal mit einer Menge Runen darauf.
Das weckte naturgemäß unsere Neugier. Weil wir - Erfahrung
macht klüger - kein Risiko eingehen wollten, schickte ich meinen
Blutdiener vor. Da der keine Gefahrenquellen ausmachen konnte, bewegten
wir uns vorsichtig in die Verlieshalle. Kaum das Khna und ich die ersten
Schritte über die Schwelle taten, wurde das Licht schwächer
und Tarn blieb hinter uns zurück. Der Hüne und meine bescheidene
Großartigkeit der dunklen Mächte mussten augenblicklich feststellen,
dass hier etwas hochgradig Unerwünschtes vor sich ging. Magische
Verwirbelungen um uns herum, humanoide Wesenheiten traten uns entgegen,
vier für jeden von uns.
Und dann sprachen
diese Sendboten Shuzuks, bewaffnet mit drohend erhobenen Zweihändern
und recht rustikal anmutenden Plattenrüstungen: "Ihr habt Euch
Shuzuk unwürdig erwiesen. Jetzt müsst ihr die Konsequenzen tragen".
Irgendwie kam mir
das Anbeten der neuen Gottheit Nalkim jetzt doch tatsächlich ein
wenig verräterisch vor. Der guten Shuzuk so einfach abschwören
und dann ausgerechnet so einen minder hochgestellten Schuhputzer-Gott
anbeten. Das kam mir plötzlich grundfalsch vor. Natürlich spielte
die Tatsache, dass diese Sendboten mich problemlos sofort in Stücke
hauen konnten, keine Rolle bei meinen Überlegungen. Ich tat also
das einzig mir mögliche, während Khna sich auf einen offenen
Kampf einlassen wollte: Ich ging auf die Knie und betete zu meiner geliebten
Shuzuk, dass sie mich wieder aufnehmen und mir verzeihen möge. Dazu
variierte ich eine olle Queste mit dem mir ohnehin besser passenden Zusatz,
dass ich die versprochene Lehranstalt lieber in Sed fehir zu bauen gedenke.
Ich sprach
"O Shuzuk, heilige Göttin meiner Wahl, nur die Umstände
zwangen mich zu der Abkehr von Deiner göttlichen Großartigkeit.
Nimm Deinen verlorenen Diener und Sohn wieder auf und er wird Dir seine
Ergebenheit und Treue erneut beweisen. Zu Deinem Glanze und Dich zu preisen
will ich den versprochenen Tempel in der alten Hauptstadt Chemlons, Sed
Fehir, errichten und dort dafür sorgen, dass Deine Anhängerschaft
wachsen möge. O Shuzuk, errette und erhöre mich. Dein Mori!"
Und siehe da! Für
einen Sekundenbruchteil erschien mir ein gütig lächelndes Gesicht.
Shuzuki, meine liebste Göttin, erhörte mich und die Sendboten
ließen von mir ab und verschwanden. Derweil hingegen Khna seine
vier Gegner recht rasch umhaute.
Nachdem all dies geschehen
war, da kam auch der Mönch Tarn zu uns und fragte verdattert, was
denn geschehen sei. Nun, er hatte die Gottheit nicht gewechselt und entsprechend
waren die Sendboten auch nicht grollig mit ihm gewesen. Nach einigen erklärenden
Worten schritten wir dann voran, um das Portal zu betrachten.
Und als wir dies dann
taten, begann das Portal eigentümlich zu leuchten. Dessen Flügeltüren
öffneten sich sodann. So sehr überrascht waren wir nicht darob.
Was wir dann aber in einer weiteren Halle erblickten, dass war allerdings
überaus beachtlich: Ein ganzer botanischer Garten, eine grüne
Insel offensichtlich göttlicher Herkunft verbarg sich hier in der
Dunkelheit der düsteren Verliese unter Sed Fehir.
Und inmitten dieser
Oase saß auf einem Holzstumpfen ein Halbork auf seine Axt gelehnt.
Der Mann war gekleidet in einer Fellrüstung, eine Augenklappe zierte
sein Haupt und zu seinen Füßen stand eine Holzkiste. Ganz in
seiner Nähe schwirrte ein kleines Wesen, nur rund 20 Zentimeter groß
und auch einem Windling nicht sonderlich ähnlich. Mit einem Schnippen
der Finger des Wesens schlossen sich die Türen des Portals hinter
uns. "Gharug`Mar" ist mein Name, setzt euch bitte", sagte
es. Nach kurzer Zeit der Begrüßungsworte plauderten wir schon
bald recht vertraulich über die geheimen Dinge und unseren göttlichen
Auftrag. Und da dieses Wesen uns glaubhaft machen konnte, dass es ein
Diener Gonnths sei, sprachen wir auch über das uns verloren gegangene
Buch "Die Begehung des Jenseits".
Das Buch stellt nach
Aussage von Gharug`Mar eine Art Brücke zwischen Diesseits und Jenseits
dar. Dazwischen der Fluss der dunklen Seelen. Dieser gewisse Dämonendrako,
der uns das Buch stahl, könne aber nicht im Besitz des Buches die
Ebenen wechseln. Daher hänge dieser nun mit dem Buch im Diesseits
fest. Nun suche er nach einem Weg, die Barriere zu überschreiten.
Zu diesem Zwecke rufe er jetzt nach Geisterbeschwörern, damit ihm
diese bei dem Unterfangen behilflich seien.
Nach diesen aufschlussreichen
Informationen stellte sich endlich auch der Halbork vor. "Bin geschickt
von einem Mondwächter, um euch zu helfen, meine Herren. Mein Name
ist "Legionoir" und ich bin ein Piratenkapitän", verkündete
er mit stolzer Brust.
Als wir dann reiflich
überlegten, wie wir den Dämonendrako ausfindig machen könnten,
da kam mir die göttliche Eingebung, dass ich meinen mir dienenden
Geist Honschu ins Spiel bringen könnte. Und so erfuhren wir von anderen
Geistern, dass der Dämonendrako sich an einem geheimen, besonders
magischen Ort verstecke und dort Geisterbeschwörer versammeln wolle.
Zu viert - den Piratenkapitän
im Schlepptau - machten wir uns kurz darauf auf den Weg, dieses Unterfangen
zu vereiteln. Das rostige Schwert von Khna wurde zuvor noch von Gharug`Mar
aufgewertet. Da ich bei den Geschenken leer ausgehen sollte und darauf
hin protestierte, wurde ich aus der Höhle geworfen. Blöder Gonnth,
dachte ich still und heimlich.
Von Honschu hatten
wir zudem erfahren, dass eine Zwergenstadt auf der dritten Ebene der Verliese
sei. Dorthin wollten wir zunächst gehen.
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