Nun denn, wir wollten uns auf die bedrohlich erscheinende Prüfung sorgsam vorbereiten und widmeten uns in den folgenden Tagen zunächst dem Studium der Bücher, die wir in Rohatts Keller fanden. Die Halborks erwiesen sich als freundliche Gastgeber, wobei nicht zu übersehen war, das sie von Tag zu Tag ungeduldiger darauf warteten, dass wir uns zur Höhle begeben.

11. Tag
Eine knappe Woche war verstrichen und wir hatten viel gelernt und weises aus dem Munde Narbeeks gehört. Der Bartler hatte dem Oger-Elf Kha`na Wa sogar eine sabbernde Wolfwelpe zukommen lassen. Auf einer gemeinsamen Wanderung der beiden entdeckten sie ein mächtiges, schwarzes Reittier von der Ky`Laani-Art, welches der Hüne aus einer Grube befreite und zu seinem zotteligen Reittier dressieren wollte. Ich hingegen besuchte des häufigeren den Totenacker der Wulk, um dort die Ruhe und den Frieden zu genießen, wie sie einem nur eine Begräbnisstätte offenbaren kann.

Wir fühlten uns nach dieser Zeit gestärkt und gewappnet, um der Gefahr von neuem ins Antlitz blicken zu können. Die Wulk führten uns also erleichtert zum Eingang der Höhle, die nur wenige Wegesminuten von der Siedlung entfernt lag. An ihrem Eingang entdeckten wir verwitterte, mäßig kunstvoll geschnittene Runen und Bilder, auf denen fünf Gestalten zu sehen waren. Die kaum noch lesbaren Runen besagten so viel wie "Geist und Kraft" und dann - mehr Raten als Lesen - stand da noch das Zeichen für "Prüfung". Wir betraten den finsteren Stollen.

"Ich sehe was...", sagte ich und fügte hinzu: "...ein dunkler Gang". Thal Rhasank antwortete: "Ahhh... ich sehe auch etwas... es ist ein dunkler Gang!"

Nach einigen vielen Metern, die wir vorangekommen waren, erhellte ein merkwürdiges Licht das sichtbare Ende des Stollens. Eine Art geräumige Halle schloss offenkundig an den Gang an und je näher wir kamen, desto vorsichtiger setzten wir Fuß vor Fuß. Wir sahen nun in der seltsam von oben erleuchteten Halle Knochenteile verstreut herumliegen und im Zentrum einen flachen Nebelkreis wabern. Auf der anderen Seite war der Eingang zu einem weiteren Stollen zu sehen. Was nun tun? , sprach Orcana und Thal Rhasank schoss einen Pfeil auf einen dort liegenden Totenschädel ab, zu sehen, ob eine Reaktion erfolgte. Nichts! Der Nebel erschien uns unheimlich, also beschlossen wir, diesen an einer Seite zu umgehen. Kha`na Wa, der Hüne mit der Neigung zum Vorangehen, ging vor und bevor wir uns versahen, schnappte auch schon die Falle zu. Der Boden unter den Füßen senkte sich merklich ab und von der Seite her löste sich Geröll aus Wand und Decke und schlug schmerzhaft auf uns ein. Die Windelfin Orcana erwischte es schlimm und nur ein besonderer, lebenserhaltender Trank aus dem Gewölbe der orkischen Wehranlage rettete ihre Existenz vor dem Verlöschen. Ich musste all mein Wissen auf dem Gebiet der Heilung aufbieten, um die angeschlagene Gruppe wieder auf die Beine zu bringen. Lediglich der Hüne war einigermaßen unversehrt verblieben. Ein Zurück gab es jedoch nicht: Wir schritten voran. Der Stollengang auf der anderen Seite, dessen Verlauf wir nun folgten, führte zu einer weiteren unterirdischen Kammer. Dort sahen wir zwei mächtige, steinerne Oger-Statuen vor abzweigenden Gängen wachen. In der Mitte des Raumes war eine Runen-Tafel. Das Entziffern der Zeichen ergab ein nun zu lösendes Rätsel. Einer der beiden Wege hinter den Stein-Ogern führte in den gewissen Tod, der andere hingegen zum Ziel...

Das Rätsel: Ein Weg führt in den Tod - der andere zum Ziel. Frage eine der beiden Wachen nur eine Frage - sie wird mit Ja oder Nein beantwortet werden. Doch beachte: Eine der Wachen spricht immer die Wahrheit - während die andere immer lügt.

Die Intelligenteren unter uns begannen sofort das Grübeln und zeichneten Tabellen in den Sand der Höhle, um das Rätsel zu knacken... doch dann prustete Kha`na Wa heraus: "ich weiß es!!!" Der Hüne stolperte beim Reden dann zwar über die eigenen Worte, doch wir konnten nicht anders als ihm unseren Respekt zu zollen. Die Lösung des Rätsels war ihm sofort eingefallen.

Man müsse nur eine der beiden Statuen fragen: "Was sagt der Andere, wenn wir ihn fragten, ob der Weg hinter ihm in den Tod führe?"

Tja, so einfach - oder eben auch nicht - ist das manchmal... Wir stellten die Frage und passierten die Statue unbeschadet in die richtige Richtung. Nach wenigen Schritten fächerte sich der Gang in fünf schmalere Wege auf, die jedoch einzeln gekennzeichnet waren. Über den Stollen waren ein Wesen im Wasser, ein Hüne, ein Geschöpf in der Luft, ein kränklich wirkender Fußgänger und eine dunkle Gestalt zu sehen. Uns erschloss sich sofort die Bedeutung. Tatsächlich - so unglaublich es auch sein mochte - dies waren wir selbst auf den Abbildungen und WIR! mussten demzufolge Auserkorene sein, die nun diese Kavernen zu betreten hatten. Einzeln betraten wir die kleineren Gewölbe. Wir fanden dort einen mystischen Ort vor. Ein jeder von uns erblicke einen verknorrten, kleinen Baum, an dem nur noch ein gesunder Ast hing. Unter diesem war eine schimmernde Pfütze. Die Oberfläche, wir beugten uns nun darüber, veränderte ihre Beschaffenheit und zeigte plötzlich Bilder von unglaublichen Taten, zeigte unwirkliche Dinge, die mich an meine Träume in der Sklaverei erinnerten. Dann ein anderes Bild: Wir stehen vor einem gewaltigen Abgrund, Lavamassen brodeln dort bedrohlich, der Himmel, nein, der gesamte Horizont verdunkelt sich... eine Stimme sprich etwas wie "Auserwählte" und "Ihr habt noch einen langen Weg vor Euch". Dann abrupt... Die "Vision" bricht ab. Die Pfütze ist wieder Pfütze und kein Fenster zu anderer Sphäre mehr. An dem Ast hängt eine hölzerne Puppe an einem Faden, die wir - da handeln wir alle gleich - an uns nehmen und als eine Art Amulett um den Hals hängen.

 

 

Wir sind Auserwählte?, staunten wir. Götter sprachen zu uns? Stimmt diese, unsere Annahme, so mussten wir demzufolge tatsächlich Auserkorene sein, die einen Pfad zu wandeln hatten, den uns das Schicksal aufgab. Auch wenn das letzte Bild dieser Orakel-Vision einen leicht bitteren Beigeschmack bereit hielt, so war unsere gehobene Stimmung nach überstandener Prüfung kaum zu leugnen. Wir traten frohen Mutes den Rückweg an, debattierten dabei die denkbaren Bedeutungen des Erlebten. In der zuvor schon passierten Halle fanden Val`Kiisar und ich je eine Pergamentrolle, auf der magische Formeln zu lesen waren, währen die anderen 3 seltsame Früchte aufhoben. Ein weiteres Geschenk der Götter!

Als wir zurück aus der Höhle ins dämmerige Licht eines verblassenden Tages traten, staunten die Halborks sehr. Narbeek rief einen Laut der Erleichterung und Freude aus und der gesamte Stamm der Wulk folgte dem Beispiel. Endlich konnten sie die Wache vor der Höhle beenden und fortziehen. Der Jubel und Beifall toste, brandete immer wieder von neuem auf. Ein großes Fest sollte folgen.

Später besprachen wir uns wiederum mit Narbeek, der uns versicherte, dass die Halborks sehr dankbar seien, da wir sie von ihrer Aufgabe erlöst hatten und sicher ein Boot bauen würden, mit dem die Insel zu verlassen sei. Er selber hingegen - das sei seine Bürde - werde den Stamm auf die Rückkehr in zivilisiertere Landstriche vorbereiten und bei den Wulks verbleiben.

Bis zum Stapellauf eines kleinen Bootes sollte uns aber noch Zeit bleiben, die Zaubersprüche der Pergamente zu erlernen oder andere Dinge zu erlernen, die uns fortan von Nützlichkeit wären.