Chemlon, irgendwo im Lande Norgroth des Jahres 705

19. Januar 705
Langes Zaudern war unsere Sache nicht. Mit der mächtigen Geisterhydra an unserer Seite näherten wir uns der Lagerstatt der Orks. Mein Blutdiener verriet uns die genaue Position der niederen Gegner. Vor einem Felsen waren sie in einem Halbkreis um die Entführten gruppiert.

Nach kurzem Ratschlag stand unsere Schlachtordnung fest. Während die Hydra frontal in die Orkhorde hineinplatzen sollte, würde Khna einen Zangenangriff von der Wasserflanke her reiten. Tarn, mein Wolf und ich wollten im Fahrwasser der voranpreschenden Hydra ins Kampfgeschehen eingreifen. Als Meister der Geisterhydra müsse ich besonders geschützt bleiben, so Tarn. Er riet mir zu außergewöhnlicher Vorsicht, da ein beschworenes Wesen ohne Kontrolle auch ihnen sehr gefährlich werden könnte.


Unsere Nerven waren angespannt und konzentriert wollten wir zu Werke gehen. Um das Schicksal gnädig zu stimmen und unsere Mission unter den Schutz der dunklen Göttin Shuzuk zu stellen, rief ich sie an: "Ehre wem Ehre gebührt, größte Gottheit Shuzuk! Dich zu ehren und zu preisen will ich eine Statue aus feinsten Knochen bauen, die von Deiner Größe und Macht kund tun soll. Zehn Meter hoch soll sie sein und Deinem schrecklich-schönen Antlitz gleichen! Ich bitte Dich, O Shuzuk, mir die Macht meines Zaubers Knochenbrecher zu stärken, damit ich die Orks lehren kann, wo der Bartel seinen Most herholt!"

Und nachdem ich den Schwur tat und Shuzuk um Hilfe bat, da ward mir als sähe ich sie vor meinem geistigen Auge erscheinen und mir schaurig-gütig gestimmt zulächeln...

Sogleich hasteten wir auf das Lager der Orks zu. Khna ritt seinen Flankenangriff und sein Äußeres verwandelte sich furchtbar. Die Haare standen ihm ab und in seinem Gesicht war furchteinflößende Grässlichkeit gepaart mit purer Mordlust. Er verschwand sogleich aus meinem Sichtkreis, doch kurz darauf hörte ich die panischen Schreie von Orks.

Derweil hatte die Hydra schon einen kleinen Vorposten der Orks erreicht und mähte diese sieben auf einen Streich nieder. Tarn und ich rennen direkt hinter der Geisterhydra. Dann setzte ich an zu meinem Meisterstück. Mein von Shuzuk veredelten Zauber traf eine kleine Schar von zwanzig Orks und mein Herz tat einen jauchzenden Sprung als ich sah, wie ihnen die Knochen in ihren Leibern barsten. Schrei und spritzendes Blut! Alle sanken zusammen wie Puppen, denen man die Fäden abgeschnitten hatte. Die anderen Orks schrieen "Dämon! Hilfe, ein Dämon kommt über uns!" Doch weit gefehlt. Die Hydra senkte sich über sie und ihr Säureodem wütete tödlich unter ihnen. Tarn hatte sich abgesetzt und sprintete nun auf den Oberbefehlshaber des Orkclans zu. Mit einer einzigen Schlagabfolge streckte er ihn nieder, während ich neun der erfahrenen seiner Begleiter auf einen Streich fällte. Khna hatte ebenfalls ein zu leichtes Spiel: Mit seinem furcherregenden Sturmangriff versetzte er die Feinde so sehr in Angst und Schrecken, so dass sie entweder gelähmt vor Schreck erstarrten oder aber entsetzt davonlaufen wollten. Wir ließen jedoch keinen von ihnen entkommen und metzelten sie alle nieder.

Im Augenblick des grandiosen Sieges hatte Tarn eine Vision. Als er auf das Ufer der gegenüberliegenden Insel blickte, erhellte sich dort ein Stückchen Felsen an einer Steilküste. Wie er später berichtete, so sah er dort verborgen ein Höhlensystem, in dem wohl ein Schatz zu finden sei...

Aber zunächst hatten wir andere Dinge zu tun. Wir mussten uns um die Kinder kümmern. Sie waren angesichts der Hydra, des Khnas und meines Aussehens wegen und weil ja auch sehr viel Blut in ihrer Umgebung geflossen war gerade ein wenig sehr verängstigt, die kleinen Hosenscheißer. Na, der Tarn hat es dann gerichtet. Dem ollen Mönch fallen solch Sachen ja eher leicht.

Unser Plan war jetzt, zum Schamanen Grog zurückzukehren, um dort Zwischenstation zu machen auf dem Weg zum Kloster des rauen Sturmwindes, dem Mönchskloster auf Imreth Calestra, wo dann Tarn seine Talente zu steigern gedachte.

3. Februar
Bei Grog angekommen wurde ich schwer enttäuscht. Entgegen seiner haltlosen Versprechungen, erhielt ich nicht den von mir so begehrten Zauberspruch namens Durchgang, sondern nur den für das Erschaffen einer freundlichen Finsternis. Obwohl ich sehr beleidigt war und den Kerl am liebsten umgebracht hätte, legte ich dort auf seinem Plateau in einer versteckten und witterungsgeschützten Ecke einen Knochenkreis an, um eines Tages leichter wiederkehren zu können...

17. Februar
Nach zwei weiteren Wochen erreichten wir das hoch gelegene Kloster, welches schön anzusehen in das Felsmassiv gehauen worden war. Nachdem Tarn sich und uns vorgestellt hatte, wurden wir eingelassen und mit einer durchsichtigen Suppe bewirtet. Mit dem Abt sollten wir später reden können, zunächst wiesen sie uns schmucklose Steinkammern zu, in denen wir uns ausruhten. Als wir dann zum Abt Malloral vorgelassen wurden, erzählten wir unsere Geschichte. Er war ganz angetan von unseren Taten und der Rettung der Kinder. Nach der Insel mit dem Schatz befragt, sagte er, dass "dort der Imperator" herrsche. "Waget Euch net in den Kern der Insel", warnte er uns.

Ich gab dem Abt für seine Hilfe sogleich ein kleines Exemplar meiner autobiographischen Reisetagebucherzählungen und er erlaubte uns das Besuchen der Klosterbibliothek.

Deren Auswahl an magischer Literatur war jedoch sehr begrenzt und fürwahr enttäuschend. Also suchte ich den Kerzenzieher des Klosters auf und kaufte dort für das Gold der Abenteurergruppe fünf Ritualkerzen ein. Tarn lernte in unserer Zeit des Aufenthaltes viel und fleißig. In den untersten Kellern des Klosters legte ich in einem seit Jahren nicht mehr gebrauchten Raum einen versteckten Knochenkreis an, damit wir für später einmal leichter für die Fortsetzung von Tarns Studien zu diesem Orte gelangen könnten. Dann machten wir uns mit den zwölf Kindern im Schlepptau auf den Weg zur Siedlung Kedus Faith.

1.März
Ankunft vor den Toren der Stadt. Neugierige Blicke treffen unsere seltsame Reisegruppe. Wir wollen zu Harback, dem Dämonenjäger, gehen.