Chemlon, irgendwo
im Lande Norgroth des Jahres 702.
Shuzuk - meine Göttin
ist mit mir! Seit meiner letzten Niederschrift ist viel passiert. Fortan
wird mich das Land mit anderen Augen betrachten müssen. Die Geschöpfe
von Chemlon sollen mir Respekt zollen! Und Unerwartetes kreuzte den Weg
unserer Gruppe. Ich will nun davon berichten:
3. Tag
Nach der gewissenhaften Durchsuchung der orkischen Wehranlage und einer
Übernachtung verließen wir das Gemäuer, nicht ohne jedoch
zuvor aber den Eingang zu den Kellerkatakomben wieder sorgfältig
zu verschließen um ihn vor den Augen allzu Neugieriger zu verbergen.
Dem gemeinsamen Ratschlag folgend, wollten wir unsere Schritte zum verwüsteten
Orklager lenken, zu sehen, ob wir Spuren der Oger, unserer Mitgefangenen
oder etwa noch brauchbare Ausrüstung für unseren Weg durch unbekanntes
Terrain finden könnten. Aus der Entfernung schon erspähte Orcana,
die Windelfin, dass dort ein furchtbares Gemetzel stattgefunden hatte.
Oger oder Überlebende, die Leichen anderer Sklaven lagen verstreut
im Lager, waren nicht auszumachen. Diesen Eindruck bestätigte dann
auch eine genauere Untersuchung vor Ort. Allerdings führte eine Spur
- Orcana glaubte sie dem Narbeek zuordnen zu können - gradewegs gen
Norden in die Richtung der sich dort mächtig erstreckenden Gebirgskette.
Wir folgten der Fährte vorsichtig, denn uns war sehr wohl gewahr,
dass die Oger aus selbiger Richtung über die Orks herfielen und auch
wieder dorthin verschwunden waren. Nach einigen Stunden des Weges, der
uns auf dem recht steilen Fuß der Berge in höhere Lagen führte,
erkannten wir, dass Narbeek offensichtlich eine andere Richtung eingeschlagen
hatte. Die Fährte knickte quasi nach Nord-West ab und da die Dämmerung
sich langsam aber unaufhaltsam über die Landschaft legte, rasteten
wir an einem Felsvorsprung. Mein Bruder Val`Kiisar begann seine Meditation,
die uns das weitere Aufstellen von Nachtwachen ersparte.
4. Tag
Am nächsten Morgen setzten wir den Weg nach einem kargen Frühmahl
fort. Kha`na Wa, der kühne Hüne, hatte uns ein borstiges, doch
leider nur sehr kleines Frühstücksferkel auf der Jagd erlegt.
Ich hatte immer noch Knast wie ein ganz Großer! Nachdem Orcana einmal
kurz die Orientierung und die Fährte verloren hatte, berichtete sie
nach einem kurzen Spähflug von einer Entdeckung: Nordwestlich meinte
sie auf einem Plateau zwei Lagerfeuer ausgemacht zu haben. Alarmiert von
dieser Kunde pirschten wir vorsichtiger näher. Grade als wir einen
vorgeschobenen Wachposten entdeckt hatten und uns darüber den Kopf
zerbrachen, ob diese Gestalten dort wohl Orks, Halborks oder Angehörige
einer uns völlig unbekannten Rasse sein mögen, ertönte
ein Signalhorn. Wir waren entdeckt! Unsere Quasselrunde unerfahrener,
grade erst entlaufener Sklaven debattierte, was zu tun sei und schon tauchten
beim Lager der Wachposten weitere sechs Gestalten auf, die sogar Wölfe
mit sich führten. Das beschleunigte unsere Entscheidungsfähigkeit
sehr. In wilder Flucht liefen wir den Hang hinauf, fanden sogar ein kleines
Rinnsaal, um die Tiere vom Erschnüffeln unserer Spuren abzubringen.
Shuzuk sei gepriesen!
Wir hätten besser sehen sollen. Die kleine Gestalt, die auf einem
der Wölfe ritt, war der Bartler Narbeek! Der Zwergen-Halbling hob
die Hand zum Gruß und wir verlangsamten unsere Schritte, wendeten
und gingen nunmehr unerschrocken auf die Verfolger zu. Lediglich mein
Bruder Val`Kiisar konnte seine Nervenenden offensichtlich nicht gänzlich
zähmen und versteckte sich zunächst noch.
Das Widersehen war
eine große Freude. Narbeek lud uns in die Siedlung der Halborks
ein, uns dabei versichernd, dass diese ein uns wohlgesonnenes Völkchen
seien. Mit Fragen über Fragen überschütteten wir Narbeek,
der leicht ersichtlich Mühe hatte, unseren Wissensdurst zu stillen.
An den Feuern des Stammes der Wulk - so der Name des Halbork-Stammes,
der rund 300 Clan-Mitglieder umfasste - stärkten wir uns fürstlich
bei einem reichhaltigen Wildbret und feurigem Fusel. Narbeek erzählte
uns dann, dass dieser verschroben und leicht degeneriert wirkende Stamm
einst vor vielen Generationen auf diese Insel gekommen war, um eine mysteriöse
Höhle zu bewachen. Die leicht verwachsenen Halborks wären der
Vision ihres Clanoberhauptes gefolgt und hätten sich hier angesiedelt.
Dieser Überlieferung nach sei die Höhle mächtigen Göttern
geweiht und in den vielen Jahren des Verweilens hier, hätten die
Wulk viele Abenteurer in das Dunkel des Stollens verschwinden sehen. Nie
aber sei je ein Wesen wieder zurückgekehrt. Die Halborks müssten
hier aber die Zeiten überdauern, bis die "Auserwählten"
erschienen und aus dem Erdstollen wiederkehrten, sprach Narbeek. Man erwarte
also von uns, in die finstere Höhle zu steigen und uns dieser Prüfung
des Schicksals zu stellen. Der Tyn`Fehir Thal Rhasank und der She`Dan
Kha`na Wa lächelten sich bei diesen Worten abenteuerlustig an, ich
jedoch konnte unruhige Gedanken nicht unterdrücken.
Natürlich erzählten wir Narbeek auch von den Ereignissen nach
unserer Flucht und wie wir die Kellerkatakomben des Geisterbeschwörers
Rohatt gefunden hatten. Narbeek erklärte uns, dass der König
Waan, der dunkle Orkherrscher selbst ein Geisterbeschwörer sei und
sich nach dem von uns gefundenen Buch "Die Begehung des Jenseits"
verzehre. Neben dem Herrscher im Dunklen Zahn sei in diesem Zeitalter
lediglich ein weiterer Geisterbeschwörer in der Lage, das seltsame
Buch richtig zu verstehen. Dieser wohne weit im Süden, in den so
genannten Glutsümpfen. Um diesen Punkt entspannte sich gleich wieder
eine kleine Debatte, bei der Brüderchen darauf beharrte, dass wir
diesem guten Mann das Buch dann wohl zu bringen hätten. Denn Narbeek
mahnte, es dürfe dem Waan nie in die Hände fallen und wir mögen
es eher vernichten, als dies zuzulassen. Val`Kiisar machte mich mit seinen
Einlassungen zornig. "NIE!", dachte ich mir, werde ICH dieses
Buch aus den Händen geben. Wer auch immer es begehre: ES sei mein
allein.
|