Chemlon, irgendwo im Lande Norgroth des Jahres 703

 

29. April
Wir hatten den Entschluss gefasst, noch einige Zeit bei der Spinnenhöhle zu verweilen. Von Zeit zu Zeit, so beratschlagten wir, sei es geboten, eine Pause einzulegen. Denn dann wären wir in der Lage, tiefer vorzudringen zu unseren wertvollen Fundstücken, bei denen wir eine magische Signatur erkannt hatten.

30. April
Habe in den letzten Tagen viele nutzlose Heilkräuter gefunden. Mein Beutel ist nun gefüllt von Krims und Krams und muffelt von all den strengen Düften. Muss mir - sollten wir es je schaffen - in einer Siedlung eine Reihe von Behältnissen besorgen, die eine luftdichte Verpackung ermöglichen. Mein kleiner Bruder Val`Kiisar hat mir beim Streifen durch die lichte und fahle Begrünung der Höhlenumgebung beim Suchen der Kräuter beigestanden. Allerdings empfinde ich sein Verhalten als zunehmend anmaßend. Ständig quengelt er und will mir das Zeugs aus der Tasche leiern. Ich habe davon zwar mehr als mir lieb ist, doch hier geht es nicht um Mengen, sondern um das Prinzip. Brüderchen sollte endlich seinen Status als mein Lehrling in Kräuterfragen begreifen und diese Rolle auch annehmen. Anderenfalls wird er künftig nicht mehr mitkommen dürfen. So einfach ist das.

31. April
Ich habe am Abend Zeit gefunden, mir über einige Dinge Gewissheit zu verschaffen. Wonach suchen wir? Was treibt uns auf den dunklen Pfaden Norgroths voran? Es ist der Durst nach dem Wissen um die Ursachen. Also jagen wir nach Weisheit. Ich werde später einmal eine Kaste der Geisterbeschwörer gründen, die sich der Erforschung der letzten Wahrheiten widmen solle. Moriaters philosophische Leitsätze müssen hierfür formuliert werden. Meine Aufgabe wird es sein, die Schüler zu richten und zu unterrichten in den Geheimnissen und Einsichten. Meine Arbeit an diesen Leitsätzen habe ich begonnen, hier erste Proben:

  • Denn die Weisheit ist die Wissenschaft, die erste und universale Ursachen sucht; Weisheit sucht die erste Ursache aller Ursachen.
  • Nichts ist im Verstand, was nicht zuvor in der Wahrnehmung wäre.
  • Wenn an einer Wahrheit Ärgernis genommen wird, ist es nützlicher, das Ärgernis entstehen zu lassen, als auf die Wahrheit zu verzichten.
  • Wenn nicht zu unterscheiden ist zwischen guter oder böser Gesinnung eines Wesens, dann schlachte es dahin. Denn: Die Götter werden schon die Ihren erkennen können und im Jenseitigen ihre Auswahl treffen.

1.Mai, abends
Wir hatten uns heute nach der mittäglichen Mahlzeit im Höhleneingang eingefunden und plauderten über unseren bevorstehenden Aufbruch. Im Eingang hatten wir ein uns wärmendes Feuer entfacht. Meinen Schuh mit dem Loch hatte ich näher an das Feuer gelegt, um ihn zu trocknen, Ständig hatte ich in letzter Zeit nasse Füße bekommen. Gerade als wir da so saßen schreckte ich auf! Hinter mir flimmerte die Luft. Eine glitzernde Kristallspinne, eine besonders gefährliche Dämonenart hatte sich in meinem Rücken materialisiert und ging alsdann in einen Angriff über. Was ich noch sah und wahrnahm war ein murmeliges Raunen der Kristallspinne, das sich anhörte wie "Gefunden - endlich!". Eine Rückmeldung meines Gehirns mit der Aussage, dass diese Art sehr mächtig ist, folgte, dass es viele Kristallspinnen mit bösen Namen gibt, die auch Diener haben und - und dann wurde es schwarz und ich war tot.

Als ich wieder zu Bewusstsein kam, später, viel später, erzählte man mir die Geschichte des tödlichen Kampfes mit unserem dämonischen Häscher.

Unsere Heldengruppe wäre wiederum ohne den Großen Thal für immer in die jenseitigen Welten übergetreten. Die Kristallspinne wütete furchtbar, hieb den She`Daan Kha`na Wa um und richtete das Brüderchen Val böse. Thal hingegen landete einen fulminanten Blattschuss mit seinem Bogen, der sich - wie wir nun feststellten - zu einem artefaktartigen Dämonenbogen entwickelt hatte. Das rettete der Gruppe den Hals. Die Kristallspinne war erledigt, nur ihr Rückenpanzer blieb von ihr übrig. Das kristallene Stück nahmen wir an uns. Ich wurde von Kha`na wiederbelebt und half sodann bei der Heilung unserer Blessuren. Aus meinem umfassenden Wissensschatz erzählte ich den anderen Mitstreitern, dass dämonischen Kreaturen wie diese Spinnen sich quasi überall einfach so aus dem Astralraum in unsere Welt hinein materialisieren können. Unser Gegner hingegen müsse ein namenloses Wesen gewesen sein, denn ansonsten hätte es uns sicher gänzlich zerledert. Nach der überstandenen Lebensgefahr widmeten wir uns stark beunruhigt wieder dem Weben der Fäden zu unseren magischen Gegenständen.

4. Mai
Ich spreche den Verdacht noch nicht aus, doch langsam wird mir wirklich ungemütlich. Das Buch "Die Begehung des Jenseits" wiegt mir schwer auf dem Herzen. Die Kristallspinne raunte ein "Gefunden!". Die logische Konsequenz ist da doch, dass sie uns zuvor gesucht haben muss. Denn nur wer sucht, der kann finden. Die Frage lautet also: Wer sucht uns und warum? Die Antwort ist relativ einfach, denn wir werden seit unserer Flucht aus der Sklaverei immer wieder von Dämonen heimgesucht. Was wollen sie? Wir besitzen einen göttlichen Auftrag. Ich besitze das Buch. Sie werden also unserer Leben UND das Buch haben wollen. Sie werden es aber nicht bekommen! Auch wenn wir nur Figuren im Spiel der Götter sind. Unser Erscheinen auf dem Spielbrett des großen Ringens muss doch etwas bedeuten. Wir werden es schon schaffen. Die Götter stehen uns bei!

5. Mai
Wir setzten seit heute unseren Weg fort.

10. Mai
Noch rund 3 Wochen bis wir unserer Ziel Jasch Gorn erreichen. Das Wetter wird dank des Frühlings zwar besser, doch von angenehmen Temperaturen zu sprechen wäre Unfug. Ich habe vom Wandern schon wieder die Nase voll.

12. Mai.
Die Landschaft wird zunehmend steppiger, die Vorläufer des Kreuzgebirges werden am Horizont immer größer. Ich werde meinen Schreibgriffel zunächst beiseite legen. Ich habe diesen Fußmarsch so was von satt.

21. Mai
Heute haben wir 2 Rennschweine der Gattung "Caoha" eingefangen. Diese martialisch anmutenden, rund zwei Meter hohen, wilden Viecher hatte Val in der Entfernung ausgemacht. Als sie uns entdeckten griffen sie uns sofort an. Unserer Steppenreiter Kha`na Wa ruft uns zu, dass er die Tiere einfangen und dressieren will. Da ich sowieso keine Lust mehr auf mein Fußgängerdasein habe, freue ich mich schon auf den reitbaren Untersatz. Zur Sicherheit levitiert uns Val in die Lüfte, während Kha seine Versuche als "kleiner Tierfreund" unternimmt. Ganz so einfach wie der Hüne sich das vorgestellt hatte ist es zwar nicht, doch letztlich bekommt er die Caohas unter Kontrolle.

22. Mai
Wir raten noch immer in der offenen Steppe, Kha dressiert ein Rennschwein und wir lassen uns erste Kniffe erklären, wie ein solches Tier zu besteigen und zu reiten ist. Thal macht sich lustig über Vals Versuche. Das finde ich ganz schön gemein, lache mir aber auch ins Fäustchen.

28. Mai
Meine Befürchtungen werden mehr und mehr zur Wahrheit, sage ich. Heute ward uns großes Übel angetan. In den frühen Abendstunden, aus dem völligen Nichts, aus sich gar plötzlich kräuselnden Nebelschwaden entstiegen zwei Dämonen der Schwerter. Nur den unruhig werdenden Tieren war deren mehr oder fast schon eher weniger rechtzeitige Entdeckung zu verdanken. Kha sprang augenblicklich auf sein Schlachtross, Val sprach einen Magie-Fokus-Zauber und suchte sich zu verstecken. Der Tor, der Einfältige, musste dies mit seinem Leben bezahlen, denn wer sich vor einem Dämon zu verstecken hofft, der hofft vergebens. Der Knabe wurde voll erwischte, eine Chance hatte er nicht. Kha hingegen ritt einen frontalen Sturmangriff und unsere Schützen-Haubitze, der gute Thal, der zunächst in eine sichere Entfernung sprintete, legte einen Dämonen per Pfeilvolltreffer nieder. Ich, der bei Val stand, o meine schwarze Göttin, was blutete das Brüderchen, wurde auch getroffen und sank bewusstlos gen Boden. Später, als man mich wieder zur Besinnung brachte, erzählte Thal, dass er auch dem zweiten Dämon einen tödlichen Pfeil verpasst hatte. Aber Val war tot, unwiderruflich mausetot. Ich lief noch schwer verwundet los, um Kräuter zu finden, die sein Leben hätten wieder herstellen können, doch vergebens, leider vergebens... Mein armes Brüderchen lag steif und regungs- und leblos vor mir. Nun saßen wir also zusammen in unserer Trauer um den gefallenen Kameraden. Ein Feuer entfachten wir und meine Erschütterung ob seines Todes war derart groß, dass mir eine bittere Träne aus dem linken Auge quoll.

"Freunde, ich muss euch Kunde geben von dem großen Geladion" - Bitte wie, dachte ich noch, hielt es für extremen Mumpitz, was ich da hörte, denn hören konnte ich die Stimme Vals. Mein Brüderchen? Quatsch, welch Unsinn, doch als ich in die fassungslosen Gesichter meiner Mitstreiter blickte, da wurde mir klar, dass sie seine Stimme ebenfalls gehört hatten. Wir fuhren herum und sahen das kleine Finsterelfchen vor uns stehen. Er näherte sich und begann sogleich von der Anrufung seiner Gottheit zu berichten.

"Weisheit, Wissen, Intelligenz, liebe Freunde, sind die hervorragendsten Eigenschaften von Geladion, meinem Gotte. Ich will euch künden - auch dir mein Moriater, von der Größe dieses Gottes, der mich in seiner endlosen Weisheit zurück schickte, damit ich wandle unter dem Lichte dieser Sonne." Sehr verblüfft waren wir ob der schwulstigen Worte und seiner offensichtlichen Fähigkeit trotz zuvor erlittenem Tode noch Luft zu atmen. Val sagte, er habe nach dem Abschied vom Diesseits seiner Gottheit gegenüber gestanden und sich eine Verlängerung seiner Zeit auf Erden erbeten. Er versprach Geladion, dass er einige Jahre in eine Bibliothek zu gehen gedenke, um ein Weihepriester, ein Geladi zu werden, sollte dieser ihn erhören. Nun denn, der Gott war wohl nicht schwerhörig und gestattete meinem Brüderchen die Rückkehr. Shuzuk, das möchte ich wetten, hätte mir einen weniger mit Buchstab versehenen Eid aus der Tasche geleiert. Wir waren aber trotzdem sehr froh, dass Val wieder mit uns war.

30. Mai
Wir haben noch einen langen Tagesmarsch hinter uns. Abends sitzen wir an einem Wärme spendenden Lagerfeuer zusammen und braten uns Kleinvieh. Kha hat eben stolz verkündet, dass nun sein kleiner Großtierzoo komplett dressiert ist. Ich mag diese Rennschweine trotzdem nicht. Sie stinken und beim langsamen Trotten ist ihr Grunzen und Furzen eine echte Qual. Meiner Meinung nach stinkt sowieso der ganze Norden. Mir jedenfalls... Ich blicke in das Feuer und, was, ich glaube...

31. Mai
Die Götter sind mit uns. Wir haben sie nicht enttäuscht. Wir alle hatten gestern eine Erscheinung. Shuzuk teilte sich mir mit. Ein wohliges Gefühl durchströmte meinen Körper und ich hörte sie zu mir sprechen: "Ihr habt es wohl getan!" Wir alle erhielten für unsere Taten, wohl auch für das Dämonenschächten ein wertvolles Geschenk. Nun bin ich ein mit viel Karma versehener Kräuterkundiger geworden.

Junianfang
Wir haben den Fuß des Gebirges erreicht. Den ganzen Tag lang wanderten wir am Fuße gen Westen entlang. Am späten Nachmittag sah Thal vier Gestalten aus dem nebeligen Dunst treten. Große Gestalten, vier Meter hoch. Val rief: Das sind doch Oger! Und dann überlegten wir kurz, ob sie Gutes im Schilde führen könnten. Nun, als wir erkannten, dass es sechs Oger in fünf Meter Entfernung waren, entschlossen wir uns zu freundlichen Worten. Sie bildeten sodann einen Halbkreis um uns herum und bedeuteten uns durch ein Spalier mit ihnen in das Gebirge zu gehen. Nun, diesen
Hinweis nahmen wir als ein gutmütiges Zeichen und taten wie uns geheißen.