Chemlon, irgendwo
im Lande Norgroth des Jahres 703
5. März
Mingol lehrte mich
während langer Nachmittage, an denen wir zusammen meditierten und
Tee tranken, einen astralen Blick in die Niederwelt zu werfen. Er sagte,
dies sei ein besonderer Kniff, um eines meiner speziellen Talente effektiver
auszureizen. Mit Hilfe dieses Blickes kann ich die magische Verteidigung
eines Wesens näher ergründen. Ich bin dankbar. Die Gefährten
bekamen auch etwas auf den Weg. Nun, nach knapp vier Wochen Aufenthalt
bei den Elfen in Imreth Daar wollen wir aufbrechen, unseren weiteren Weg
gen Kreuzgebirge antreten. Kha`na Wa hat in den letzten Tagen eine Holzhütte
für sein Weib gehämmert. Ihr Bauch ist schon richtig angeschwollen
und bis zur Niederkunft dauert es nicht mehr lang. Ich untersuchte sie
gynäkologisch trotz eines grimmig dreinschauenden in meinem Rücken.
Ihm behagte meine Fummelei an seiner Frau offensichtlich nicht. Aber da
ich hier der Arzt bin, so habe ich es einfach für meine Pflicht gehalten,
einmal genauer zu sehen, ob ihre Schwangerschaft unkompliziert verläuft.
Das Ergebnis der Untersuchung war, dass ich eine Geburt für Anfang,
Mitte Mai diagnostizierte. Kha`na Was Entscheidung, sie in der Obhut des
Waldes zu belassen, war offensichtlich eine richtige. Wir packten also
unsere vier Sachen, verstauten Nahrungsmittel in den Rucksäcken und
verließen unter viel Anteilnahme der Bewohner das Elfendorf. Kha`na
Wa schwor sich, er werde sein bald geborenes Kind einst aus dem Norden
in den fernen Süden führen.
10. März
Unser Plan ist es noch immer, das Kreuzgebirge nördlich zu umrunden,
um dann auf der anderen Seite gen Süden zu ziehen. Wir bewegen uns
unauffällig und abseits von Orksiedlungen. Es stellte sich bisher
kein Feindeskontakt ein und wir suchen dies auch tunlichst zu vermeiden.
Val und ich brennen darauf, die Stätte unseres Clans zu erreichen.
Aber es ist noch ein langer Weg.
14. März
Der Boden wird steiniger, wir nähern uns dem Gebirge. Val hat sich
von Mingol eine Reihe von Sternen zeigen lassen, die uns leiten sollen,
so dass wir den rechten Weg nicht verlieren. Offensichtlich hat er gut
zugehört. Sehen können wir das Kreuzgebirge allerdings noch
nicht. Am Morgen musste ich feststellen, dass mein linker Stiefel ein
Loch hat. Hoffentlich bekomme ich keine kalten Füße.
16. März
Wir sollten endlich aufhören, unser Leben waghalsig zu riskieren.
Eines Tages wird uns das sonst die Rübe kosten.
Gestern hörten wir gegen Mittagszeit entfernte Kampflaute. Wir trotteten
grade schweigsam hintereinander her und spitzten dann die Ohren. "Hört
ihr es auch?", frug mich Thal und tatsächlich, in einiger Entfernung
war Waffengeklirre zu vernehmen. Wir also schnell und hurtig der Lärmquelle
entgegen. Der sprintende Thal hängte uns sofort ab, Kha`na auf Celeborn
galoppierte auch von dannen und Val und ich hasteten angestrengt hintendrein.
Ich zauberte mir einen Wolf, will sagen: einen Geisterwolf und erteilte
ihm den Befehl, er möge den beiden folgen und wegputzen, was zu töten
sei.
Als Val und ich dann
am Orte des Geschehens ankamen, hatte Thal schon drei Orks mit seinen
Pfeilen außer Gefecht gesetzt und der reitende Hüne einen kunstvoll
enthauptet. Auch mein Geisterwolf legte einen Ork zerfleischt nieder.
Das Scharmützel hatte am Rande eines kleinen Sees stattgefunden,
auf dessen Oberfläche seltsame Schwaden von Wasserdampf waberten.
Die Gruppe Orks hatte - wie sich dann später herausstellte - einen
Bärenmenschen namens Navanka arg in Bedrängnis gebracht und
schwer verwundet. Nun da wir aber die übrigen Angreifer, an der Zahl
sechs, erledigt hatten, versorgten wir seine Wunden und Kha`na setzte
dafür auch seinen Gnadenschub ein. Einen Ork hatte Thal mit einem
Giftpfeil betäubt und diesen fesselte er nun.
Navanka, der Bärenmensch,
kam wieder zu Bewusstsein und zeigte sich dankbar ob seiner Rettung. Er
sagte, er wäre ein Steppenreiter von Sham`Har, einer Sippe, die im
Nordost-Viertel vom Kreuzgebirge eine Höhle bewache. Er sei zu dem
See, den er den "See der Alten" nannte, gepilgert, um einem
alten Brauch seines Volkes folgend dort fünf Reittiere zu tränken.
Dies sei seine Ritusaufgabe, die er allein vollbringen müsse, bevor
er dann als Geweihter zu seinem Volk zurückkehren könne, um
dort einer der Wächter der Höhle von Sham`Har zu werden. Denn,
wir horchten bei seinen Worten auf, das Wasser des Teiches hatte eine
besondere, positive Wirkung auf ein Wesen, welches von ihm trinke. Da
ich ohnehin einen extrem stechenden Durst hatte, lief ich sofort zur Wasserstelle.
Thal machte es mir gleich und sprang anlaufend zu einem kühnen Hechtsprung
in den See. Beim Trinken des kühlen Nasses stellte ich eine eigenartige
Veränderung fest. Meine Lebenskräfte stärkten sich spürbar
und ich vermute, mit diesem Schluck habe ich das Jenseits auf eine größere
Distanz zu meiner sterblichen Hülle gebracht. Auch die anderen tranken
und empfanden dies so wie auch der Moriater. Thal, der alte Wassersportler,
tummelte sich sehr vergnügt im Wasser und rief uns am Rande seines
Schwimmbeckens frohen Mutes zu: "Ich mach denn mal einen kurzen Tauchgang
und komm gleich wieder raus...".
Tja, was soll ich
dazu noch groß viel schreiben? Ich rief ihm eine Mahnung zu, er
möge bloß vorsichtig sein und schwupp - weg war er schon. Das
Wasser muss ihm seine für normal sehr trockene Analytik geflutet
haben, vermute ich. Dem war wohl auch seine Bogen-Heldentat zu Kopfe gestiegen.
Ich schaute mir dann besorgt den Rand des Beckens an und stellte fest,
dass dieser glitzerte wie der Kraterrand eines Vulkans manchmal. Um das
genauer zu betrachten, eventuell andere Spuren zu finden, setzte ich meine
Astralsicht ein, erspähte zunächst aber nix. Thal hingegen tauchte
tiefer ab und dann, ganz plötzlich, sah ich eine astrale Signatur
vom Boden des tiefen Sees kommen. Mit dem neuen Kniff, dem astralen Blick,
stellte ich entsetzt fest, dass dieses krakenähnliche Geschöpf
eine überaus hohe Verteidigung gegen magische Angriffe aufweisen
konnte. Und dieses Wesen erwischte den nun flüchtenden Thal sogleich
böse. Sogar mit einer Art von Gift, das ihm barsch zusetzte und er
das Bewusstsein verlor. Val schaltete sofort, wollte ihn aus dem Wasser
in die Höhe levitieren, brachte dies aber nicht zustande. Mein Zauberspruch,
o meine Göttin, gib mir Kraft die Schmach zu verknusen, gelang mehrfach
schon beim Weben eines Fadens nicht. Ganz zu schweigen von meiner Unfähigkeit,
die Abwehr des Kraken zu knacken. Asche auf mein Haupt! Val konnte dann
beim zweiten Versuch wenigstens Thals leblosen Körper aus dem Wasser
zaubern. Kha`na Wa, der das elend der wirkungslosen Zaubereien nicht länger
ertragen konnte, gab dem Bärenmenschen ein Seilende, wickelte sich
das andere Ende um die Hüfte und sprang einen Krakenköder markierend
in die Fluten des Sees. Nach heftigem Ringen, Plantschen, schlingernden
Krakenarmen mit Giftsaugnäpfen, Kha`nas Eindreschen auf das Monster
und meinem finalen, weil erfolgreichen, Verdorren-Zauber hatten wir den
schwarzen Koloss besiegt. Thal konnten wir grade noch so mittels Pilzen,
Heilkräutern und- Künsten dem Leben zuführen. Navanka stellte
fest, dass dies der "Wächter des Sees" sei und alles in
allem ein schlechtes Omen sei. Der Steppenreiter war sichtlich verstört.
Dennoch vereinbarten wir, ein oder zwei Tagen an dem Ort gemeinsam zu
campen, da wir die Wunden zu versorgen hatten.
17. März
Gleich am Morgen wollte uns Navanka dann verlassen, brachte aber zuvor
Kha`na neues Wissen bei, damit dieser ein besserer Steppenreiter werden
könne. Auch lud er uns im Gegenzug für seine Rettung zu seinem
Clan in den Höhlen ein. Um vorgelassen zu werden bekamen wir ein
Stück kunstvoll gezeichnetes Fell geschenkt, dass uns als Freunde
ausweisen solle.
Nach dem Abschied
verhörten wir dann den gefangenen Ork. Der stellte sich doof und
behauptete, wir töteten ihn ja ohnehin und sowieso. Deshalb sage
er gar nichts. Mir fiel nicht viel ein, ich verspottete ihn allerdings
gehörig. Val kam auf die grandiose Idee ihn so richtig auszupressen,
levitierte mit ihm fünf Kilometer in die Luft und ließ ihn
dann fallen... Übrig blieb so natürlich auch kein Geständnis.
Thal war dann heute bereit, in die Tiefen des Sees zu tauchen. Er berichtete
nach dem ersten Tauchgang von einem riesigen, schimmernden Objekt, welches
dort am Grund lag. Er konnte allerdings nicht ganz dorthin, denn die Temperaturen
nahmen so rapide ab, dass er umzukehren genötigt war. Ich gab ihm
Frostmoos, damit er beim nächsten Anlauf weiter kommen würde.
Als er dann wieder zur Oberfläche zurückkam brachte er wertvolle
Gegenstände vom Grund des "Sees der Alten" zurück
und tischte uns eine unglaubliche Geschichte auf. Dort lag ein mehrere
Meter, wohl tonnenschweres ei-ähnliches Ding und glühte seltsam
vor sich hin. Das Wasser dort unten war eisig und kalt. Es zu bergen sei
wohl nicht denkbar, sagte Thal, von der Größe des Dings beeindruckt.
Wir stellten auch die Überlegung an, dass dies eisige Wasser eine
Art Sicherheit sei vor dem Inhalt des Eis. Nun ja, sollte es ein Ei sein,
so wäre dies denn denkbar. Zunächst wandten wir unsere Aufmerksamkeit
aber den Mitbringseln vom Seeboden: Neben einem Kettenhemd, einem großen,
klobigen Hammer und einem ritterlichem Handschuh. Val stellte mit seinem
neuen Kniff fest, das der "Donner-Hammer" sieben und die "Handschuhe
des Riesen" sechs Fäden haben. Wahrlich wertvolle Artefakte!
|