Chemlon, irgendwo im Lande Norgroth des Jahres 703

2. Februar
Mein Schädel brummt und ich habe schlecht geschlafen. Manchmal träume ich von meinem eigenen Tod und ich erfreue mich an diesen nächtlichen Schattenspielen sogar! Das sollte mir zu denken geben, denke ich. Gleich wollen wir rüber zum genesenen Mingol, um ihn während einer Unterredung beim Frühstück unsere Hilfe anzubieten. Der Syhaak, der ihn angefallen hat, soll unsere Jagdbeute werden. Grade hat mir Thal berichtet, dass die Windelfin Orcana wohl beim Waldclan bleiben werde. Sie fühle hier Sicherheit und sich sehr geborgen wie noch nie zuvor in ihrem Leben. Ich teile zwar ihre Meinung, dass dieses Refugium Schutz und Obhut bietet, doch in meiner Brust schlägt die Abenteuerlust zu sehr. Und welch Wurm bin ich schon, dass ich mich erdreistete, einen Auftrag der Götter nicht anzunehmen? Val kommt.

5. Februar
Von den Toten auferstanden und dem Monde zugewandt! Will ich nun berichten, wie es sich verband, dass ein Dämon aus dem Schattenland von des Bogens Meisterhand unsre Botschaft schnell verstand!

Habe diese Verse grade ersonnen und blicke sie mir stolz an. In mir steckt enormes Kreativpotential, befürchte ich. Ich sollte meine Notizen nutzen, um ein umfangreiches Heldenepos zu verfassen, welches dann von den Barden dieser Welt gesungen wird und unsere Ruhmestaten einem breiteren Publikum offenbart...

Die Erleichterung, die in den Zeilen mitklingt, ist auf unsere grade bestandene Prüfung zurückzuführen. Wir haben den korrumpierten Syhaak erlegt und als Krönung des Tages gleich dazu noch einen widerwärtigen Dämon unschändlich machen können. Ich will die Ruhmestat kurz umreißen und Bericht erstatten:

Wir saßen beim Frühstück mit Mingol und erzählten uns Geschichten. Er hatte uns schon beim letzten Zusammentreffen eine von ihm angefertigte Karte der Nordlande gegeben und nun steckten wir erneut die Köpfe zusammen, sprachen von den Gefahren für den Clan und unsere künftigen Reisepläne. Der weise Geisterbeschwörer erzählte von weiteren drei Attacken des Syhaak, die in jüngster Zeit stattgefunden hatten. Dann plötzlich hörten wir ein Stimmenwirrwarr vor dem Zelt aufbranden. Ein Elfen-Trupp war grade von einem Streifzug zurückgekehrt und schaute recht blutverschmiert und lädiert aus. Deren Anführer polterte aufgeregt und hastig Worte von einem großen, wilden Tier, welches sie überfallen hätte. Einer der Elfen war sofort dem Syhaak zum Opfer geworden und nun mussten wir zusehen, wie ein weiterer vor unseren Augen seinen Verletzungen erlag. Wir versicherten Mingol so dann sofort erneut unsere Hilfsbereitschaft und dass wir den Clan von der Gefahr befreien wollten. Mingol war sichtlich darüber erfreut, warnte uns allerdings vor dem mächtigen Tier und der Möglichkeit, dass ein Dämon sich auch in der Nähe der Bestie aufhalten könne. Kha`na Wa hatte bei diesen Worten das Gefühl, dass uns der Geisterbeschwörer nicht alles erzählt hatte. Wir bedrängten ihn sodann mit guten Worten und zurück im Zelt plauderte Mingol dann tatsächlich mit sichtlichem Unbehagen etwas aus dem Nähkästchen.

"Nun denn, es sei wie sein muss und gesprochen werden soll vom Geheimnis des Waldes, von der Quelle der Geister, einem sehr mächtigen magischen Ort. Ich werde euch beschreiben, wie der Weg dorthin zu finden ist. Einst lebte ich dort. Ich gehe davon aus, dass die Übel des Jenseits von dieser Quelle magischer Macht angezogen worden sind. In einer kleinen, finsteren Höhle werdet ihr diese Quelle finden. Sie war der Grund, dass ich damals hierher kam, dort traf ich den mächtigen Geist, von dem ich euch zuvor schon erzählte. Nachdem dieser den Wald verlassen hatte, versiegelte ich die Höhle. Es ist zu befürchten, das Unheil dort seine Brutstätte nun gefunden hat. Die Quelle ist ein magischer Katalysator, seid wachsam und vorsichtig, es wäre vielleicht fatal, sollten sich dort noch mehr böse dämonische Wesen eingefunden haben. Um euer mutiges Unterfangen zu unterstützen, werdet ihr von mir hilfreiche Dinge erhalten! "
Mingol meinte es wirklich gut mit uns, er gab den Abenteurern Notfall-Tränke, die uns in Kampfsituationen hilfreich werden sollten. Mit mir meinte er es besonders gut und ich erhielt Wissen zu einem Zauberspruch mit dem Namen "Astraler Schutzkreis", der mich vor dämonischen Attacken schützen könne.

Wir wollten nicht lange zaudern und begaben uns ohne Umschweife auf die Großwildjagd, nicht wissend, wer hier denn nun Jäger und wer Gejagter sein werde. Aber an Mutlosigkeit hatten wir ja noch nie gelitten. Nach fünf Stunden Waldspaziergang entdeckten Grokette und ich im Moos des Unterholzes seltene und wertvolle Pilze, die einem die Rückkehr von den Toten ermöglicht. Wir waren auf dem Weg zu der Stelle, an der der letzte Überfall des Syhaak stattgefunden hatte. Dort angekommen entdeckten wir einen astralen Spurenabdruck des Monsters, der in die Richtung wies, in der nach Mingols Angaben auch die Höhle zu finden sei. Dort angekommen, stellten wir fest, dass die Spuren des Syhaak zwar hinein, aber auch wieder hinaus führten. Unser Plan lautete "Vorsicht". Ich stellte einen Wächtergeist vor dem Erdloch auf und dann versteckten wir uns so gut es ging in einiger Entfernung. Thal, Val und ich levitierten in die Krone eines Baumes, während Kha`na Wa auf seinem Schlachtross Celeborn verblieb. Der Wächtergeist würde Alarm schlagen, wenn das Monster versuchen sollte, wieder den Höhleneingang zu passieren. Aber lange Stunden lang geschah nichts und wir wurden schon des Wartens überdrüssig. Als dann Grokette erneut den Eingang auf Spuren untersuchte, stelle sie mit Entsetzen fest, dass der Syhaak den Wächter passiert hatte ohne das dieser uns dabei gewarnt hatte. Mein Zauber muss irgendwie misslungen sein, dachte ich grade, als mir Kha`na Wa schon laut polternd Vorwürfe vom Fuße des Baumes entgegenkrakeelte: "Toller Wächter, so ein Bockmist auch!", pöbelte der Hüne. Dann aber schon überschlugen sich die Ereignisse. Der Syhaak hatte wohl das Gegröle gehört und kam aus der Höhle gewetzt. Der Wächter schlug diesmal Alarm und versetzte dem Tier eine Wunde. Val schleuderte dem Wesen seinen Zauber vom vernichtenden Willen entgegen, traf kolossal, Kha`na Wa schlug auf ihn ein und ich lies ihm ein Bein verdorren. Thal konnte seinen Bogen wieder senken, denn wir hatten ganz vortreffliche Arbeit geleistet. Aber dann! Val rief aufgeregt "Ah, was seh ich denn dort? Der Dämon kommt aus seinem Versteck!" Das Übel trug zwei Flügel und Val katalogisierte ihn sogleich als Schwarzschwinge. Das gab mir zu denken, denn Dämonen mit Namen, so hatte man mir einst erzählt, sind von besonders gefährlicher Art. Das war aber auch so ungefähr alles, was ich dann noch denken konnte, denn ich war das erste Opfer des Wesens aus dem Jenseits. Ich spürte stechenden Schmerz in meinem Arm, sah ihn zu meinem Entsetzen verkümmern und verdorren, verlor den Halt im Geäst und rund zwanzig Meter dem Tod entgegen. Schon während des Fallens verlor ich das Bewusstsein. Was sich dann zutrug, erzählten mir die Gefährten später.

Meine Freunde hatten alle erdenklich Mühe mit der Schwarzschwinge, keiner kam ohne schwerste Blessuren davon. Mein Brüderchen Val wurde auch dahingemetzelt und fiel vom Baum, Kha`na Wa verdorrte ein Bein und nur mit viel Kampfglück torkelte er aus dem Jenseits wieder ins Diesseits, um auf der Schwelle zwischen Leben und Tod zu balancieren. Den entscheidenden Treffer konnte Thal in einer heldenhaften Verzweiflungstat setzen. Ein Arm war ihm vom Dämon schon verdorrt worden und der Gruppe drohte die komplette Vernichtung. Thal spannte sodann seinen Bogen einhändig, den Rahmen der Waffe mit den Beinen haltend. Beim Abschuss seines Elementarpfeils flog der Bogen hinterher, so dass sich Pfeil UND Bogen bei diesem Blattschuss in die Schwarzschwinge bohrten. Der getroffene Stinker sackte in sich zusammen und war durch die wahrlich heroische Tat erledigt. Später stellte sich dann heraus, dass der vom Dämonenblut besudelte Bogen bei seinem nun schon legendären Erfolg mit einer magischen Struktur veredelt wurde. Der Bogen leuchtete nun merklich als ich ihn mir mit astraler Sicht einmal näher ansah. Thal hatte an diesem Tag den Ruhm geerntet und uns das Leben gerettet. Denn die Überlebenden konnten sich den Quasi-Toten Brüdern Val und Moriater widmen, sie zu retten und ins Licht zurückzuführen. Die arg verschlissene, ramponierte und übel lädierte Gruppe hatte gesiegt. Grokette ging vor in die Höhle und konnte vermelden, dass dort keine weiteren Gefahren lauern. Also ging die schwer verdorrte Gruppe in die Höhle hinein, um dort nach allerlei Dingen zu suchen. Die Quelle der Geister begeisterte mich ungemein. Sie war ein derart potenter magischer Knotenpunkt, dass mir unweigerlich die Nackenhaare elektrisiert standen. Val fand auf einem Altar eine Inschrift und er freute sich sehr über den dort verzeichneten Zauberspruch, den er sofort erlernte. Ich hingegen konnte eine merkwürdige Maske finden, die ich sofort als überaus wertvollen magischen Gegenstand einordnete. Bei unserer Rückkehr ins Dorf der Elfen erzählte mir Mingol, dass dies die legendäre Maske des Mondes ist. Auf der Stirnfläche der Maske war tatsächlich auch Selbiger und andere Himmelsgestirne kunstvoll dargestellt. Diese Maske, so Mingol weiter, habe ein Gegenstück, die so genannte Maske der Sonne. Es sei mir angeraten, einen Barden oder Troubadour zu befragen. Sollten wir einmal einem solchen begegnen, könne mir dieser sicher wertvolle Erklärungen und Hinweise geben. Als ich später einen magischen Faden zur Maske knüpfte, stellte ich begeistert fest, dass sich beim nächtlichen Tragen meine Wahrnehmung extrem verbesserte. Überhaupt war Mingol so sehr dankbar für unsere Heldentat, dass er sogleich einen heilenden Zauber auf unsere verdorrten Gliedmaßen anwendete und uns mit Geschenken und netten Worten überhäufte. Er versprach mir sogar, Aufzeichnungen anzufertigen, die mir weiteres Lernen der Künste eines Geisterbeschwörers ermöglich sollten. Als Mingol uns dann erklärte, dass die Quelle der Geister das Weben von Fäden zu magischen Gegenständen erleichtern würde, beschlossen wir, die uns angetragene Gastfreundschaft weiter anzunehmen und vier Wochen Rast bei den Elfen von Imreth Daar zu machen. Ich bin ganz gespannt auf die nun kommende Zeit, denn Mingol sprach verklausuliert davon, dass er uns ein paar Kniffe und Tricks beibringen werde. Das nebulöse Wort von der Kerzenmagie sprach er so bedeutungsvoll, dass ich ganz und gar neugierig geworden bin. Hoffentlich beginnt die Unterweisung sehr bald.