Wie bereits erwähnt, wir gingen nach einer Tages-Schiffsreise wieder an Land, ostwärts um genau zu sein, wohin uns die Orks zu dieser Suche antrieben. Wir vermuteten schnell, dass es sich bei diesem Ort um eine der Küste vorgelagerte Insel handeln müsse. In den jetzt ruhigeren Stunden dieser Niederschrift wird mir nun bewusst, dass ein Eiland eine weitere Art einer freilich weiter gestrickten Gefangenschaft bedeutet. Nun denn, jedenfalls kamen wir bei der Suche zu keinem Ergebnis und der Tag neigte sich dem Ende zu. Hannack, der kommandierende Ork-Anführer der Expedition, befahl die Errichtung einer Lagerstätte.

Das Nachtquartier wurde einige hundert Meter landeinwärts am Saum einer sich weit zum Himmel erhebenden Gebirgskette aufgeschlagen. Uns, also die zwölf Sklaven, sperrten sie in einen eigens zu diesem Zweck vom Schiff geladenen Käfig, der aus Bambushölzern gefertigt war. Kha`na Wa, der wortkarge Hüne fragwürdiger Oger-Elf-Abstammung, machte sich umgehend und recht ungestüm an den Bambusgittern zu schaffen. Den etwas einfältigen Koloss, den ich weniger ob seiner kommunikativen Geschicklichkeit, denn seiner bewundernswerten Stärke lieb gewonnen hatte, mussten wir mit unseren Körpern Deckung verschaffen, damit ihn die rund um das Lager postierten Wachen nicht bei seinen rabiaten Versuchen entdeckten. Dabei machte uns sehr Müdigkeit und eine seltsame Mattheit zu schaffen. Es half aber nichts, wollten wir unseren Freund nicht der Entdeckung preisgeben, so mussten wir seine Bemühungen abschirmen. Rund 25 elendige Orks in dieser Zeltstatt und dann ein derartiger Ausbruchsversuch! Wie sollte das wohl funktionieren, fragte ich mich und grübelte über die Frage, wie Kha`na Wa nur bei derartigen Geistesblitzen die lange Zeit der Sklaverei hatte überstehen können. Val`Kiisar stieß mich aus den Gedanken auf und sprach mich in der Sprache der Dunkelelfen an. "Schau die sich türmenden Wolken", sagte er und tatsächlich hatte es den Anschein, als ob sich ein ungemütliches Himmelchen am Firmament zusammenballte. Massive Wolkenberge türmten sich übereinander, schoben sich über die Gebirgskette und brachen in die zum Strand hin abfallende Regionen wie eine luftige Steinlawine herein. Für einen Augenblick, es mag sich geradezu lächerlich anhören, vermochte ich eine Art Konterfei zu erkennen, das dort am Horizont sich aus wallendem Wolkengebilde herausschälte. Irrsinn, so fürchtete ich, hatte mich gepackt und just in diesem Moment grunzte Kha`na Wa hinter mir einen Laut der Freunde. Die Ereignisse überschlugen sich förmlich. Die Orkwachen schlugen Alarm und polterten aufgeregt und waffenklirrend durch das Lager, lenkten meine Aufmerksamkeit zum Berghang, auf dem rund 5-7 massige Gestalten quasi den Boden pflügend und in atemberaubender Geschwindigkeit in Richtung des Quartiers stürmten. In dem Moment, in dem ich mich entsetzt zu meinen Kameraden drehte, lächelte mich Kha`na Wa tumb an und präsentierte stolz eine aus der Verankerung gezerrte Käfigstange. Keine Frage, die Gelegenheit war einmalig und die Situation überaus bedrohlich. Die Orks würden dem - nun konnten wir es erkennen - hereinbrechenden Oger-Angriff nicht lange standhalten, sie schossen unzählige Pfeile ab, doch den teils schon gut gespickten Attackierenden vermochte das den rasenden Schwung nicht zu nehmen. Alle Sklaven machten sich daran, dem Käfig eiligst zu entfliehen, denn schon wüteten die ersten Oger erbarmungslos in der Verteidigungslinie der Orks, rissen und bissen Gliedmaßen und Köpfe in ihrem Blutrausch. Val`Kiisar brüllte uns in aller Geistesgegenwart einen Treffpunkt bei einem markanten Felsen, nicht weit vom Lager, aber dennoch in gesicherter Entfernung zu und wir stoben in panikartiger Fluch wie Brieftauben aus dem plötzlich geöffneten Verschlag davon.

Orcana hob in die Lüfte ab, ich aber folgte im Schutze des wieder einmal nützlichen Kha`na Wa. Der wollte sich offensichtlich im Waffen-Zelt des Hannack Mordwerkzeuge besorgen, schlug dann aber einen Haken und steuerte ein anderes Zelt an, wo er einen Ork niederstreckte, der sich ihm in den Weg stellte. Später sollte er uns von einer höchst sonderbaren Beobachtung berichten, die ich zunächst als Hirngespinst eines eher weniger kopfagilen Wesens abtat: Ein Oger ließ kurz von einem Orkopfer ab, um einem anderen Ork den Bogen aus der Hand zu schlagen, mit dem dieser auf uns zielte...

Nun denn:
Mit der erbeuteten Axt und einem nützlichen Sanitätertäschchen, welches ich an mich nahm, machten wir uns davon, um zum Treffpunkt zu gelangen. Dort kamen dann auch der schmächtige und kränklich außer Atem keuchende Val`Kiisar, die Windelfin Orcana, Thal Rhasank und wir zusammen. Die anderen Sklaven hatten offenbar den Sammelpunkt nicht verstanden, waren bei der Flucht in andere Richtungen abgekommen oder erschlagen worden. Besonders nützlich war nun die Windelfin, denn sie stieg nochmals in die Luft, um aus der Entfernung die Stätte des Kampfes zu besehen: Die Orks hatten die Flucht ergriffen, eine Schar von sechs Gestalten floh westwärts, während sich Hannack in hastiger Flucht allein einen Weg gen Osten bahnte. Im Lager konnte vom anhaltende Wüten der Oger berichtet werden, die sich neben der völligen Zerstörung des Lagers drauf und dran machten, ein abscheuliches Orkessen zu bereiten. Thal Rhasank, der sich in einem anderen Zelt noch Waffen und zwei Schilde besorgt hatte, spähte vom Wasser her, konnte allerdings auch nicht viel mehr Details zur Lage beisteuern. Es wurde lediglich klar, dass 5 andere Sklaven bei der Flucht ums Leben gekommen waren. Ich hoffe inständig, dass der alte Bartler Narbeek nicht unter ihnen war. Nach kurzem Ratschlag beschlossen wir, dass Orcana aus der Luft die Flucht des verhassten Schinders Hannack beäugen sollte, während wir ihm in sicherer Entfernung folgen wollten. Die Windelfin erstattete wenig später bei Rückkehr beunruhigenden Rapport: Hannack - und somit auch wir - bewegt sich auf ein alte Wehranlage zu, in deren Innenhof der schwache Schein eines Feuers zu erkennen sei.


Hannack, der gemäß der gefundenen Blutspuren und der Beobachtungen am Schildarm eine Verletzung trug, hastete gradewegs darauf zu. Wir hinterher, denn mehr Abstand zwischen uns und den Ogern gefiel uns sehr. Auch war unsere Neugier entfacht, denn laut Orcanas Bericht trug der Hannack eine Art Pergament bei sich. Von der grade gewonnenen Freiheit ermutigt, setzten wir die Verfolgung bis zum Gemäuer fort und spähten die Umgebung aus. Wir hatten herausgefunden, dass sich dort in der Wehranlage zwei orkische Wachposten an einem Lagerfeuer befanden und Hannack sich dorthin begeben hatte. Ein offener Angriff erschien aussichtslos und so warteten wir, was der nächste Tag uns an Glück oder Geschick zu bringen vermochte. Erholter könnte uns ein Zufall oder eine neue Situation zur Hilfe gereichen, waren wir uns rasch einig.


2. TAG
Am späten Morgen, grade als Kha`na Wa mit einem Reh von erfolgreichem Jagdzug zu uns zurück kehrte, berichtete Orcana vom Aufbruch Hannacks, der sich wohl anschickte das Gemäuer zu verlassen, um zum Schiff der Orks zu gelangen. So jedenfalls unsere Annahme und uns wurde schlagartig klar, dass wir grade das nicht zulassen durften, wollten wir nicht riskieren, von einem frischen Orkheer, mit welchem Hannack sicher verstärkt auf die Insel zurückkehren würde, aufgestöbert zu werden. An einer steilen Geröllböschung lauerten wir dem Orkanführer auf. Der schmächtige Dunkelelf Val`Kiisar sollte sich von hinten an Hannack anschleichen, ihm just in dem Moment seinen Mantel über das Haupt werfen, in dem Kha`na Wa aus dem Schatten eines Felsen auf ihn zusprang. Der Überraschungsüberfall gelang und sichtlich irritiert nahm Hannack einen mächtigen Axtstreich des großen Kha`na Wa hin und ging schwer getroffen zu Boden. Wir fesselten den bewusstlosen Ork so gut es eben ging und prüften den Inhalt seiner Taschen. Neben Ausrüstungsgegenständen wie beispielsweise einem Langbogen oder auch zwölf silbernen Münzen des Königreichs Waan, die wir an uns nahmen, fanden wir auch das besagte Pergament, welches eine Karte der Umgebung darstellte.